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Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Titel: Feuer der Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Simon
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bald selbst in einem so stattlichen Haus zu wohnen. Nun, nicht ganz so groß, aber ebenso schön. Von Menschen hatte sie geträumt, die sie respektvoll behandelten, einfach weil sie ordentlich gekleidet war.
    Den Geruch des Grabens behält man sein Leben lang.
    Wer hatte das gesagt? Tzozic. Obwohl ausgerechnet der es ja geschafft hatte. Andererseits war er kein echter Bewohner des Grabens gewesen. Er hatte nur ganz am Rande gelebt.
    Sie bettete den Kopf auf ihre Hände und schloss die Augen. Aber es ließ sich nicht verhindern, dass ihr die Tränen kamen. Tzozic, wie sie ihn hasste! Wie sie all das hasste! Ihren Vater, der schuld daran war, dass es ihr so schlecht ging. Leise schniefte sie in sich hinein, damit niemand es hörte. Nun tue ich also wieder, womit ich vor einigen Tagen aufgehört habe: Ich liege in meiner Hütte und weine mich in den Schlaf. Ach, Tique, auch wenn du mich tatsächlich nicht hörst: Hast du mir das versprochen?
    Tique …
    Diesmal, so spürte sie, war es anders. Sie weinte um etwas, das sie nicht benennen konnte. Nicht benennen wollte. Doch die Bilder, die sie sah, bevor sie wegdämmerte, waren nicht die ihrer Mutter, nicht die des Grabens, nicht das Goldene Axot oder der Tempel.
    Sie sah hoch oben auf einem Ast einen Mann stehen, mit langem schwarzem Haar und dunkelrötlichen Augen, in denen Glutpunkte leuchteten. Sie selbst stand unterhalb des Astes. Royia ging in die Hocke, streckte die Hand nach ihr aus und strich ihr über die tränenfeuchte Wange.

    Es klopfte. »Naave?«, raunte jemand vor der Tür. Sofort war sie hellwach. Ein Mann stand dort, den sie gewiss nicht kannte. Sollte sie sich überhaupt bemerkbar machen? Nein, sie wollte ihre Ruhe haben. Was immer dieser Fremde von ihr wollte, es konnte nichts Gutes sein. Das war es im Graben nie. Sie hielt den Atem an, lauschte, was er tat. Es musste spät in der Nacht sein, denn auch in den anderen Hütten war es ruhig, bis auf das übliche Schnarchen, Husten und das Gezeter, das immer irgendjemand anfing.
    »Naave?«, kam es noch einmal. Sie zog die schmutzige Decke über ihren Kopf. Schließlich meinte sie zu hören, wie sich der ungebetene Besucher entfernte. Ganz sicher war sie sich nicht. Aber sie war zu müde, sich länger darüber Gedanken zu machen. Sie versuchte sich wieder zu entspannen und schloss die Augen.
    Ein dumpfes Poltern dicht neben ihrer Hängematte. Naave warf die Decke von sich und fuhr hoch. Der Fremde war einfach durch das Loch in der Hüttendecke gesprungen, und er war von riesenhafter Gestalt! Ein gut gefettetes Messer blitzte an seinem Gürtelstrick. Sie wollte auf der anderen Seite von der Matte springen, doch jäh wurde es dunkel um sie herum. Vergebens versuchte sie an dem Sack zu zerren, den der Kerl über sie gestülpt hatte. Sie landete auf dem Boden; ihre strampelnden Beine konnten nicht verhindern, dass er sie gänzlich einschnürte. Der Eindringling warf sie sich über die Schulter. Sie hörte den hölzernen Riegel zurückgleiten; dann stapfte er mit ihr durch die Halle.

13.
    I hrem Eindruck nach lief der Entführer allein durch den unterirdischen Teil des Viertels. Ständig stieß sie an die Schultern anderer Leute, doch niemand interessierte sich dafür. Naave verwarf den Gedanken, zu schreien und um Hilfe zu betteln – hier unten war sich jeder selbst der Nächste; niemand würde sich diesem messerbewehrten Riesen in den Weg stellen.
    Den Geräuschen nach ging es durch halbverfallene Gänge, durch hohe Kavernen, an dichtgedrängten Hütten vorbei. Es gab auch eine Art Marktplatz hier unten, wo man besser nicht fragte, was die Garküchen in ihre dünnen Suppen taten. Danach verlor Naave jegliche Orientierung. Fieberhaft überlegte sie, wer darauf aus sein könnte, ihr etwas anzutun. Tzozic? Nein, sie hatte ja keine Gelegenheit gehabt, etwas von seinem Ringgeld zu nehmen. Wahrscheinlich hatte er gegenüber den Wächtern lautstark sein Leid geklagt und war dann wieder schlafen gegangen. Nun, es gab genug Leute, mit denen Naave im Laufe der Jahre aneinandergeraten war. Dem einzigen Bäcker des Grabens war sie schon oft mit geklauten Manoqlaiben entkommen. Aber würde der noch nach Wochen wegen seines steinharten, mit Gips gestreckten Brotes einen Schläger schicken?
    Wahrscheinlicher war, dass Naave das Schicksal einer jeden jungen Frau blühte, die versuchte, allein hier unten zu überleben.
    Ihr übler Verdacht bestätigte sich, als sie das Getuschel und Geschnatter mehrerer Mädchen hörte.

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