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Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Titel: Feuer der Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Simon
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Eine Tür knallte hinter ihr; modrige Bohlen knarrten unter den schweren Schritten ihres Entführers. Halbwegs sanft wurde sie auf dem Boden abgelegt. Der Mann knüpfte den Sack auf und zog ihn ihr über den Kopf.
    Das Erste, was sie sah, war sein Messer. Sie griff danach, sprang gleichzeitig auf die Füße und drehte sich, die Klinge vor sich haltend.
    Die Mädchen verstummten.
    Naave zählte fünf, die von verwaschenen Hängematten die Beine baumeln ließen. Jede hatte eine Näharbeit auf dem Schoß. In ihrer freien Zeit mussten Huren ihre Kleider flicken; schließlich sollten sie anziehend wirken. Und beim Liebesspiel zerriss oft ein Kleidungsstück – das wusste sie von ihrer Mutter.
    »Die soll zu uns gehören?«, rief eine der Frauen. Ihr Haar war rot wie das der anderen, doch man sah den hellbraunen Ansatz. »Nehmen wir jetzt etwa jede auf?«
    »Hast du Angst, nichts mehr zu verdienen, Vaca?« Eine Frau kam eine wacklige Treppe herabgestiegen, die Haare mit dunkelrot gefärbtem Lehm zu einem Kegel aufgetürmt. In ihrer gealterten Üppigkeit erinnerte sie an Machiqa. Ein Gewand aus bunten Stoffstreifen umhüllte ihren fetten Leib. Sie hielt den Stoff mit übertriebener Geste gerafft, als sie vor Naave trat.
    Das Messer beachtete sie nicht.
    »Solange ich nicht mit einer solchen Nase gestraft bin, verdiene ich noch genug«, höhnte Vaca in ihrem Rücken. Die Hausherrin hieß sie mit einer Geste zu schweigen, während sie Naave unverwandt ansah.
    Mit der Linken griff sich Naave an die Nase. Hatte sie sich etwa verändert? Nein, sie war wie immer. Ein wenig plump, das wusste sie durchaus, aber, bei allen Göttern, sie hatte wahrhaftig andere Sorgen.
    »An der Nase gibt es nichts auszusetzen, denn sie sieht aus, als könne sie tun, was eine Nase tun muss«, erwiderte die Hurenwirtin lachend. »Und das Haar …«
    Naave hob die Klinge, da man sie anscheinend nicht ernst nahm, und bewegte sie hin und her. »Keine Angst, ich mache niemandem hier seinen Platz streitig. Lasst mich gehen, und keiner muss befürchten, eine Narbe quer im Gesicht zu haben. Das wäre nicht gut fürs Geschäft, ist es nicht so?«
    Innerlich zitterte sie vor Furcht. Ein Messer zu nutzen, war ihr vertraut, jedoch eher, um einen Fisch auszunehmen oder es heimlich auf dem Markt in ein dampfendes Stück Fleisch zu stoßen und damit fortzulaufen. Der bärtige Riese bewegte einen Muskel, und sie deutete mit der Klinge auf ihn. An Größe übertraf er sogar Tzozic, doch statt eines Fassbauchs besaß er mächtige Schultern und einen Nacken wie ein Ochse. Dieser Mann könnte sie allein mit einem Finger zu Fall bringen. Stattdessen schielte er zu einem Tisch, auf dem ein Topf Milch stand.
    »Ja, trink nur«, die Wirtin wies mit einer gönnerhaften Geste zum Tisch. Sofort stürzte der Riese darauf zu und leerte den Topf so gierig, dass ihm die Milch in den Bart rann. Das Lächeln, das sich auf seinem weißen Mund ausbreitete, als er ihn absetzte, glich dem eines Kindes.
    Gut, dachte Naave. Von hier wieder zu entkommen, war vielleicht doch nicht unmöglich. Rückwärts wich sie zur Tür zurück.
    »Sie will weglaufen«, sagte der Riese. Eines der Mädchen stieß ein verächtliches Lachen aus, das offenbar seiner Auffassungsgabe galt.
    »Allerdings«, schnaubte Naave. »Ich werde …«
    »Still wirst du sein«, fiel ihr die Wirtin ins Wort, und sie klang allmählich ungeduldig. »Bei der Macht des Einen! Chinanxi hatte uns ja gewarnt, dass du widerspenstig sein würdest, aber von einer giftsprühenden Ratatoq hat sie nichts gesagt!«
    Chinanxi? Wo hatte Naave diesen Namen schon einmal gehört? Sie vermochte sich auf die Schnelle nicht zu erinnern.
    »Bring sie zu ihr, Puq. Oder nein, ich werde es selbst tun«, sie schritt auf sie zu, den Kopf steif erhoben, wohl um den Lehm nicht zum Bröckeln zu bringen. »Sonst gibt es nur weiteres unnötiges Geschrei. Also, was ist, Naave?«
    Wieso kannte hier jeder ihren Namen?
    Auch die faltigen Lippen hatte die Hure mit Rot bemalt. Die Farbe klebte auf ihren Zähnen. Naave war von diesem Anblick gebannt. Beinahe hatte sie das Messer in ihrer Hand vergessen. Sie legte es auf den Tisch.
    Zufrieden nickte die Wirtin. »Komm«, sie machte kehrt und stieg eine ausgetretene Treppe auf der anderen Seite des Raumes hoch. Naave folgte ihr; die Blicke der Huren klebten förmlich an ihrem Rücken. Die Treppe führte in eine niedrige Kammer, in der statt einer Hängematte ein Bett stand. Ein richtiges Bett mit einer dicken

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