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Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Titel: Feuer der Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Simon
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sich niederließ. Er war so groß, dass seine Knie fast seine Brust berührten. Der Heiler lieh ihm sein Ohr, und der Mann deutete auf seinen Kopf.
    »Ah!«, rief der Heiler, nachdem er sich das Leiden ausführlich hatte darlegen lassen. »Das hier ist ein besonders interessanter Fall«, wandte er sich an die Zuschauer. »Der gute Mann hier klagt über jahrelange Kopfschmerzen an immer der gleichen Stelle an der linken Stirnseite. Und er sieht neuerdings Flecken. Das deutet darauf hin, dass ihm im Kopf etwas wächst, was dort nichts zu suchen hat. Gewöhnlich öffnet man die Schädelplatte und schneidet das Gewächs heraus. Eine blutige Angelegenheit, die selten gut ausgeht. Aber der Eine, der weise Alte, die Sonne, hat uns in seiner grenzenlosen Güte viele Möglichkeiten gegeben, Krankheiten zu behandeln.«
    Beide Hände richtete er zu dem Segel, das seinen Heilerstand vor der strahlenden Nachmittagssonne schützte. Dann holte er aus einem Stapel von Kisten und Körben ein rundliches Geflecht, über dem ein Tuch lag. Mit gewichtigen Gesten stellte er es auf einen zweiten Hocker.
    »Zum Beispiel die Larven einer Käferart, die tief im Wald lebt.« Er legte eine Hand auf das Tuch – und zog es mit einem Ruck herunter. Die Menge schnappte geschlossen nach Luft.
    »Ist der aber groß!«, rief jemand.
    O ja, dachte Naave. Der Rote Menschentöter ist besonders groß.
    »Die Weibchen dieses Käfers spucken ihre Larven auf ein Tier, und die suchen sich einen Weg in den Körper des Opfers. Was tödlich wäre. Aber ich habe einen Weg gefunden, diese Eigenart zu nutzen, um Leben zu retten.« Nun legte der Heiler eine Hand auf die Schulter des Patienten, der sich vor Schreck duckte. »Ich werde ein Loch in seinen Schädel bohren. Das Blut wird die Larve anlocken; sie wird in den Schädel kriechen, genau an der Stelle, wo das Gewächs sitzt. Sie wird sich dort einnisten und sich davon ernähren, bis es verschwunden ist.«
    Der Schlaksige schluckte mehrmals. Er hatte die Augen weit aufgerissen.
    »Und was tut sie dann?«, kam die Frage aus den Reihen der Zuschauer.
    »Sie tut, was Larven eben tun: sich verpuppen. Bevor sie sich verwandeln kann, entferne ich sie natürlich.« Aufmunternd klopfte der Heiler auf die Schulter des Kranken. »Wollen wir anfangen?«
    Dem Mann wich alle Farbe aus dem Gesicht. Er neigte sich zur Seite, erbrach sich und sprang hoch. Wankend floh er in die Menge, die enttäuscht murrend vor ihm zurückwich.
    »Wie oft hast du das denn schon getan?«, wollte jemand wissen, woraufhin der Heiler abwinkte.
    »Er ist weg, also ist das nicht mehr von Belang. Du da«, er winkte Naave heran, die zögerlich aus der Reihe trat. »Was ist mit dir, junge Frau? Du siehst gesund aus. Oder plagen dich die Monatsblutungen? Da sollten Opfer an Varuta helfen.«
    »Nun …«
    »Wirklich hilfreich ist in solchen Fällen die Halskrause einer Schwarzen Perlenechse. Man rollt sie und steckt sie sich zwischen die Beine. Zufällig habe ich eine da; sie wäre günstig zu haben.«
    Naave schüttelte den Kopf. »Man sagt, du seist der beste Heiler auf dem Markt …«
    »Wenn nicht der beste der Stadt!« Beifallheischend ließ er den Blick schweifen, doch die Zuschauer schwiegen, um nichts von der nächsten Ungeheuerlichkeit zu verpassen. Derweil warf die Helferin das Tuch über den Käfig und trug den Menschentöter wieder fort.
    Naave verzichtete darauf, von Nanxis Bein zu berichten. Wahrscheinlich hatte er es ohnehin irgendwann zu Gesicht bekommen. »Ich brauche Axotsud. Kannst du mir helfen? Hast du je davon gehört?«
    Er rieb sich das stoppelige Kinn. »Ich hörte davon, ja: in Geschichten, die man sich aus dem Wald erzählt. Aber das sind Legenden, die nicht der Wahrheit entsprechen. Ich meine, Heilwasser, gewonnen aus Axotzungen – wer soll denn so etwas glauben?« Er lachte, und die Zuschauer stimmten ein. »Ich könnte dir etwas Besseres anbieten; etwas, das wirklich hilft, und zwar … Wer stört denn da?«
    Zwei Tempelwächter drängten die Leute beiseite, die Fäuste an den Lavasteinschwertern.
    »Du!«, rief einer Naave zu. »Bleib stehen!«
    Sie drehte sich auf der Ferse und stürzte davon. Weit kam sie nicht. Grob wurde sie an der Schulter gepackt und herumgewirbelt.
    »Lass mich los!«, schrie sie. »Ich gehe nicht in den Tempel, niemals! Das kannst du meinem Vater sagen!«
    Der Wächter runzelte die Brauen. »Da kommst du nicht hin, keine Bange«, knurrte er, und der andere lachte auf. Nein, die beiden

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