Feuer der Leidenschaft
sie bezweifelte das. Die Ereignisse des gestrigen Abends hatten die Qualität ihrer Beziehung verändert. Sie empfand nun eine seltsame Kombination von Vertrautheit und Wachsamkeit und entdeckte die gleiche Mischung in ihm. Nur die Zeit würde ihnen sagen können, wie nachhaltig diese Veränderung sein würde.
Eine Stunde später blickte Kenneth ein wenig besorgt von seinem Schreibtisch auf, als Sir Anthony zu ihrer gewohnten morgendlichen Geschäftsbesprechung in das Büro kam.
Doch sein Arbeitgeber machte einen absolut ruhigen und ausgeglichenen Eindruck und spielte auch mit keinem Wort auf die Szene am Frühstückstisch an. Nachdem er Kenneth einige Briefe diktiert und mit diesem über die anstehenden Haushaltsprobleme gesprochen hatte, legte Kenneth ihm schweigend seine Entwürfe für die Verlobungsanzeigen vor.
Sir Anthony las den kurzen, förmlichen Text der Anzeigen durch und reichte ihm dann das Blatt Papier zurück. »In Ordnung. Aber Ihr solltet nicht nur Euren militärischen Rang, sondern auch Euren Titel in der Anzeige anführen.« Seine Stimme troff nun vor Ironie.
»Ich möchte, daß die Welt erfährt, was für eine gute Partie mein Mädchen mit Euch macht.«
Kenneth legte mit einem Gefühl tiefen Unbehagens das Blatt auf den Schreibtisch zurück. »Ich bedaure unendlich, was gestern passiert ist, Sir.«
»Wollt Ihr damit sagen, daß Ihr bedauert, meine Tochter geküßt zu haben?« erkundigte sich Sir Anthony im kalten Ton. »Oder daß man Euch dabei erwischte?«
Sein Arbeitgeber war offenbar auf sein Blut aus, dachte Kenneth, und sagte, sich für die Ehrlichkeit entscheidend:
»Tatsächlich bereue ich es nicht, daß ich sie geküßt habe -
Rebecca ist eine überaus attraktive junge Dame. Aber daß ich es tat, war verkehrt. Und daß ich sie in eine kompromittierende Lage gebracht habe, ver-dammenswert.«
»Und was für Absichten verfolgt Ihr nun mit ihr?« Als Kenneth mit der Antwort zögerte, sagte der ältere Mann gereizt: »Kommt, Captain, ich habe doch sicherlich ein Recht darauf, das zu erfahren.«
»Das leugne ich nicht, Sir.« Mit dem Gedanken, daß er sich lieber vor einem Militärgericht als vor Sir Anthony verantwortet hätte, erwiderte Kenneth behutsam: »Vor dem gestrigen Abend hatte ich keinerlei Absichten. Ich habe nicht das Recht dazu, ans Heiraten zu denken, wenn der Besitz, den ich geerbt habe, so gut wie bankrott ist.«
»Rebecca verfügt bereits über ein ansehnliches Vermögen. Wenn ich einmal das Zeitliche segnen sollte, wird sie sogar eine sehr reiche Erbin sein.«
Kenneth spürte, wie nun der Zorn in ihm hochkochte.
»Versucht Ihr etwa, mich dazu zu überreden, sie ihres Geldes wegen zu heiraten? Wenn das der Fall wäre, würde das eine schwere Beleidigung sowohl für Rebecca wie für mich sein. Eure Tochter braucht kein Vermögen dazu, damit ein Mann sich wünscht, sie zur Frau zu nehmen. Und ich lasse mich nicht kaufen.«
Da lehnte sich Sir Anthony mit einem zufriedenen Lächeln zurück und sagte: »Ihr müßt Euch doch nicht gleich so ereifern, Captain! Es war nicht meine Absicht, Euch zu beleidigen. Ich wollte Euch lediglich darauf hinweisen, daß es töricht von Euch wäre, Euch von Eurem Ehrgefühl davon abhalten zu lassen, meine Tochter zu heiraten, wenn Ihr sie wirklich zu heiraten wünscht.
Mit ihrem Vermögen könnt Ihr Euren Besitz schuldenfrei machen.«
»Anscheinend liegt Euch wirklich daran, diese Verbindung zu forcieren«, erwiderte Kenneth, seinen Arbeitgeber scharf ansehend. »Aber warum? Wie ich bereits am Frühstückstisch sagte, bin ich ja nun wirklich kein großer Fisch, den sie mit mir fängt. Ich bin ein Sekretär, Menschenskind! Es gibt zahllose Männer, die reicher, gebildeter und ansehnlicher sind als ich.«
»Mag sein. Aber Ihr seid der einzige Mann, für den Rebecca bisher nach diesem verdammten Poeten ein Interesse gezeigt hat«, erwiderte Sir Anthony trocken.
»Und das ist eine sehr wesentliche Qualifikation.«
»Aber Ihr wißt doch nichts über mich. Ich bin lediglich eines Tages in Eurem Haus erschienen und habe Euch um Arbeit gebeten. Das ist alles. Ihr besitzt keinen Nachweis meines Charakters.«
»Ich brauche keinen Haufen schriftlicher Referenzen, um zu wissen, was Ihr seid. Der Charakter eines Mannes ist ihm ins Gesicht geschrieben.« Sir Anthony nahm eine Schreibfeder vom Tisch und zog den Federbart durch seine langen schlanken Finger. »Ich werde nicht ewig hier sein. Meine Tochter hat bisher ein ungewöhnlich behütetes
Weitere Kostenlose Bücher