Feuer der Leidenschaft
mit einer finsteren Eindringlichkeit an. Die Wirkung war eher bezwingend als bedrohlich.
Zutiefst maskulin. Wenn er Lavinia mit diesem Gesichtsausdruck angeschaut hätte, wäre sie vermutlich auf der Stelle ohnmächtig geworden.
Rebecca holte tief Luft und begann dann mit ihrer Feinarbeit am Gesicht des Korsaren. Sie würde die geheimen Skrupel, die den Piraten seiner Taten wegen plagten, vermittels dessen sich im dunklen Marmor spiegelnden Profil zum Ausdruck bringen, doch das blieb einer späteren Sitzung vorbehalten. Heute würde sie sich auf diesen übersättigten Mann konzentrieren, der mit gleicher Unbekümmertheit lieben und töten konnte. Nur war es jetzt, wo Kenneth zu ihrem Freund geworden war, viel schwerer für sie, die bedrohliche Seite seines Wesens zu sehen.
Sie konturierte, diese mit einem dünnen Schatten unterlegend, die Wange und markierte dann mit einem feinen Pinselstrich die blasse Narbe darauf, die auf eine stumme und dennoch beredte Weise Zeugnis ablegte für ein gefahrvolles Leben. Es war weitaus schwieriger, diese leuchtende Klarheit seiner grauen Augen einzufan-gen -
diese der Welt überdrüssigen Augen, die alles gesehen und niemandem vertraut hatten. Ein paar sparsame, perlweiße Glanzlichter in den Pupillen. Dann eine kohlschwarze Umrandung, um ihnen diesen durchbohrenden Blick zu geben, den sie im wirklichen Leben auch hatten.
Sie setzte den Pinsel zu einem letzten Strich an und hielt dann mitten in der Bewegung inne. Es machte zur Hälfte den Künstler aus, daß er immer wußte, wann er aufhören mußte.
Sie steckte den Pinsel in den mit Terpentinöl gefüllten Krug und wählte nun einen anderen aus, um die feinen Linien am Rand der Augen zu markieren. Sie gaben dem Gesicht Reife und waren zugleich ein Beleg für ein Leben im Freien. Dann eine feine Schattierung der Jochbeine, bis sie wie gemeißelt aussahen.
Und nun der Mund. Hier befand sie sich sogleich in Schwierigkeiten. Während sie die Umrandungslinie zog, hatte sie eine lebhafte Erinnerung daran, wie seine Lippen sich auf ihren angefühlt hatten. Eine heiße Flut schien ihren Körper zu überschwemmen, und im gleichen Moment rutschte ihr der Pinsel weg, so daß sie einen kleinen erschrockenen Laut von sich gab.
»Stimmt etwas nicht?« fragte Kenneth sie.
»Nur … nur ein falscher Pinselstrich.« Seinem Blick ausweichend, trocknete sie sich die feuchten Handflä-
chen an einem Tuch ab und ging dann daran, die zuletzt aufgetragene Farbe von der Leinwand zu schaben. Dann versuchte sie abermals, den Mund zu malen, der ihr Ohrläppchen geküßt und auf eine ihr wohlige Schauer durch den Körper j agende Weise an ihrem Hals geknab-bert hatte …
Wieder machte sie einen Fehler. Zu ihrem Verdruß stellte sie nun fest, daß ihre Hände zitterten.
Worauf sie beschloß, die letzte Feinarbeit an seinem Gesicht auf einen Tag zu verschieben, wo die Erinnerungen an seine Küsse weniger lebhaft sein würden, und sich statt dessen dem Arm zuzuwenden, der auf der Rückenlehne des Sofas lag. Das weiße Leinen spannte sich an der Schulter, was auf die Kraft des Köpers hinwies, der unter dem Stoff verborgen war. Hier mußte nur der Schatten etwas härter gemacht werden. Sie tat das und studierte dann den Faltenwurf des Hemdes um seinen Torso.
Sie hatte sich schamlos an seinen Körper gepreßt -mit schmerzenden, an seinen harten Muskeln breitgedrückten Brüsten.
Sie schlug die Augen nieder und schluckte, um ihren trockenen Mund anzufeuchten. Mit einem Mann allein zu sein und sich mit seinen Gedanken ganz auf seinen Körper zu konzentrieren, war ein überaus erotisches Erlebnis. Er mußte sie wohl auch spüren - diese dunkle, pulsierende Energie, mit der die Luft zwischen ihnen geladen war. Doch sie wagte nicht, ihm ins Gesicht zu sehen, um das herauszufinden. Sie wußte, daß ihre Augen ihm zu viel verraten würden.
Ihre Augen wanderten nun zu seinen Beinen hinunter, um sich der Betrachtung hinzugeben, wie sich die dunkle, hautenge Hose um seine Schenkel spannte. Doch im gleichen Moment blickten sie wieder von diesen weg.
Unmöglich, auch nur daran zu denken, daß sie nun an seinem Unterkörper arbeiten könnte! Also dann lieber die Hand, die auf dem Rücken von Gray Ghost ruhte.
Sich einredend, daß sie nicht als Frau, sondern nur als Malerin an ihr Modell denken sollte, nahm sie ihre Arbeit wieder auf, während sie immer wieder von dem Gegenstand, mit dem sie gerade befaßt war, zu der Leinwand hin- und herblickte. Hände
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