Feuer der Leidenschaft
vorstellen, daß Sir Anthony jemand in einem Wutanfall verletzen könnte, aber nicht, daß er kaltblütig einen Ring zerlegt und dann seine Frau mit einem Schubs über den Rand einer Steilwand hinausbefördert.«
Sie erschauerte und wünschte, er hätte ihr diesen Vorgang nicht auf eine so drastische Weise geschildert.
»Ihr versucht, eine in sich widersprüchliche Situation durch Logik zu erklären. Ihr habt keine Beweise, die einen Mord wahrscheinlicher machen als einen Selbstmord oder Unfall.«
»Aber Hinweise. Zum Beispiel diese Kampfspuren, die man oben am Rand der Steilwand entdeckt hat. Diese scheinen mir die Möglichkeit eines Selbstmords auszuschließen. Und das fehlende Herz paßt nicht zu einer Unfalltheorie.«
Sie biß sich wieder auf die Lippen. »Vielleicht war der Reif mit dem Herzen schon so dünn und abgewetzt, daß er bei dem Sturz von der Felswand zerbrach und verlorenging.«
»Man darf doch annehmen, daß der mittlere von drei übereinandergesteckten Ringen am wenigsten bean-sprucht wird.« Er hielt die beiden noch übriggebliebene Teile des Rings hoch. »Und selbst an diesen hier kann ich keine nennenswerten Spuren einer Abnützung entdecken.«
Was er von den Ringen sagte, stimmte; aber sie war noch immer nicht überzeugt.
»Wer hätte meine Mutter denn töten wollen? Jeder, der sie kannte, mochte sie.«
»Vielleicht doch nicht jeder. Ich habe in den letzten Wochen oft und lange über diese Möglichkeit nachgedacht. Vielleicht hatte Eure Mutter beschlossen, ihre Affäre mit Hampton zu beenden, und er wollte seine intime Beziehung zu ihr nicht aufgeben und wurde ge-walttätig.«
»Doch nicht Onkel George!« protestierte sie. »Ich glaube, daß Mutter ihn seiner gütigen und gleichbleibend sanften Gemütsart wegen liebte. Er wäre wohl der letzte, der aus Wut darüber, daß er als Liebhaber abgehalftert wurde, einen Mord begehen würde.«
»Lady Seaton hat aber offenbar bei den Männern, die sie gekannt hatte, sehr starke Gefühle ausgelöst«, wandte Kenneth hier ein. »Wenn ich bedenke, daß Bowder.
nach fast dreißig Jahren, die seit dem Bruch ihres Verlöbnisses ergangen’waren, noch immer so sehr an sei-JL
ner ehemaligen Verlobten hängt, daß er ein Vermögen f für den Versuch ausgibt, die wahren Umstände ihres Todes aufzuklären. Der letzte Sekretär Eures Vaters, dieser Morley, liebte sie, obwohl sie alt genug war, uml seine Mutter sein zu können. Nachdem ich das Porträt von Heien im Büro gesehen habe, kann ich auch verstehen, warum. Wer weiß, ob nicht noch andere Männer so sehr von ihr besessen gewesen waren wie Bowden und Morley?«
Sie rieb sich die Schläfe. »Ich habe mich ein paarmal gefragt, ob sie nicht der Grund war, weshalb Lord Frazier nicht geheiratet hat. Mr. Turner und Sir Thomas Lawrence sind weitere Maler, die vielleicht nicht ganz so ernsthaft behaupteten, daß sie sich niemals verehelichen würden, weil ihre >schö-ne Helen< nicht mehr zu haben sei. Ich kann Euch mit Leichtigkeit noch ein weiteres Dutzend Männer aufzählen, die sie überaus heftig verehrten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß einer von ihnen sie aus verschmähter Liebe oder Eifersucht umgebracht hätte.«
Er zuckte mit den Achseln. »Ein Armeeoffizier ist oft ein De-Facto-Richter über das, was unter seinen Männern so alles geschieht. Ich habe in den Jahren, die ich bei der Armee war, gelernt, daß die meisten Verbrechen entweder aus Leidenschaft oder Habsucht begangen werden. Im Falle Eurer Mutter ist Leidenschaft das wahrscheinlichste Motiv, denn die einzige Person, die von ihrem Tod in materieller Hinsicht profitierte, seid Ihr.«
Worauf Rebecca ihn mit dem empörten Ausruf unterbrach: »Ihr werdet doch wohl nicht annehmen, daß ich sie getötet haben könnte?«
»Natürlich nicht«, erwiderte er trocken. »Versteht Ihr jetzt, warum ich die Leidenschaft der Gewinnsucht als Motiv vorziehe? Obwohl eine Kombination dieser beiden Motive durchaus im Bereich des Möglichen läge, falls die Mätresse, die Euer Vater zu jener Zeit hatte, Heien beseitigen wollte, um den Weg freizumachen für eine zweite Ehefrau. Wißt Ihr vielleicht, mit wem er damals schlief?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich wollte so etwas niemals wissen. Obwohl ich denke, daß immer die Frauen, die er gerade porträtierte, seine Mätressen waren. Ich hatte auch stets den Verdacht, daß in der Regel nicht er es war, der ihnen nachstellte, sondern vielmehr sie es waren, die sich ihm anboten.«
»Er verliebte
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