Feuer der Leidenschaft
umbringen wollen, dafür die Wintermonate ausgesucht haben, in denen sie unter Anfällen von Schwermut litt.
Aber niemals den Sommer.«
Lavinia legte die Hand auf Sir Anthonys Arm. »Hör auf ihn, Anthony. Was er sagt, macht Sinn. Malcolm Frazier redet von dir immer nur im gereizten Ton oder mit einem heimlichen Groll in der Stimme. Es wäre durchaus möglich, daß Mißgunst und Neid seine Freundschaft in Feindschaft verwandelt haben, so daß er im-stande war, das zu tun, was Kenneth von ihm behauptet.«
Während Anthony seine Mätresse anstarrte, sagte Kenneth ungeduldig: »Ich werde das später alles erklären, aber erst möchte ich Rebecca finden. Könnt Ihr mir sagen, wohin sie gegangen ist?«
»Sie wollte eine Wanderung zum Skelwith Crag unternehmen«, antwortete Sir Anthony. »Den Hügel, wo Heien den Tod gefunden hat.«
Lavinia runzelte die Stirn. »Ich glaube, daß man Skelwith Crag von Fraziers Haus aus sehen kann. Sollte Frazier tatsächlich dort schon Quartier genommen haben, würde er jetzt Rebecca auf dem Gipfel des Hügels sehen können.
Aber er hätte doch keinen Grund, Rebecca etwas zuleide zu tun.«
»Was für einen Grund hatte er wohl dafür, Lady Sea-ton umzubringen?« konterte Kenneth. »Ich glaube, er ist mehr als nur ein bißchen verrückt, und ich möchte kein Risiko eingehen. Habt Ihr einen Diener, der mir den Weg zum Gipfel des Crag zeigen könnte?«
»Ich werde das selbst übernehmen«, sagte Sir Anthony, sich aus seinem Stuhl erhebend. »Eure Sorge ist anstek-kend, wenngleich ich nicht glaube, was Ihr mir von Malcolm erzählt.«
»Dann laßt uns sofort aufbrechen. Und zwar zu Pferd.«
Zehn Minuten später, die Kenneth wie eine Ewigkeit vorgekommen waren, ritten sie im scharfen Trab in die Hügel hinein. Kenneth begann nun mit kurzen, abgehackten Sätzen seinem Begleiter die ihm versprochenen Erklärungen zu liefern. Als er ihm von Lord Bowdens Auftrag erzählte und der geheimen Rolle, die er dabei gespielt hatte, meinte Sir Anthony trocken: »Demnach war Marcus also der anonyme Freund, der mir zu einem neuen Sekretär verhelfen hat.
Ich denke, daß ich ihm ein Dankschreiben schik-ken sollte. Es wird ihn bestimmt ärgern, wenn er erfährt, daß er mir damit einen guten Dienst erwiesen hat.«
Kenneth erwiderte überrascht: »Ihr könnt mir meine Täuschung verzeihen?«
Sir Anthony warf ihm einen schlauen Blick zu. »Wenn Ihr mich getäuscht habt, um die Wahrheit zu finden, macht Euch das doch nicht zum Verräter.« »Ich wünschte, Rebecca wäre ebenso tolerant.« »Ah, deshalb also trägt sie Euren Ring nicht mehr.« »Ihr habt das bemerkt? Das wußte ich nicht.« »Mir entgeht selten etwas, wenn ich es manchmal auch für besser halte, mich nicht einzumischen.« Sie kamen jetzt zu einer Wegegabelung, und Sir Anthony bog dort in den linken Pfad ein. »Meine Tochter hat ein Vertrauensproblem, fürchte ich. Es ist für sie einfacher, stets das Schlimmste von jemandem zu denken.« Er seufzte. »Sie war so ein stilles kleines Mädchen.
Sie schien sich niemals über die Unordnung oder Regellosigkeit aufzuregen, die in Künstlerkreisen herrschte; oder über die Launenhaftigkeit ihrer Mutter oder das egozentrische Verhalten ihres Vaters. Erst, als sie mit diesem idiotischen Poeten durchbrannte, wurde mir klar, daß wir als Eltern versäumt hatten, ihr diese Sicherheit zu geben, die ein Kind so nötig braucht. Zu dieser Zeit war es natürlich zu spät dafür, diesen Schaden zu beheben. Ich machte mir Sorgen um sie. Abgesehen von den Momenten, wo sie von ihrer Arbeit sprach, war sie zu einem verschlossenen, sich von der Außenwelt abkapselnden Menschen geworden. Deshalb dachte ich, daß Ihr ihr gut bekommen würdet. Sie brauchte einen in sich gefestigten Mann.
Einen Mann, auf den sie sich verlassen kann — egal, was passiert.«
Sir Anthonys Charakteranalyse war sicherlich eine Erklärung dafür, warum Rebecca so heftig reagiert hatte, als sie erfuhr, daß Kenneth das Vertrauen ihrer Familie mißbraucht hatte. Es war leicht für sie gewesen, das Schlimmste von ihm anzunehmen, und seine eigenen Schuldgefühle und die seine Zukunft betreffenden Unsicherheiten hatten die Sache nur noch verschlimmert.
Aber, bei Gott, Kenneth wußte jetzt genau, was er wollte.
Diesen Gedanken beiseiteschiebend, erklärte Kenneth nun, warum er glaubte, daß Frazier ein Mörder und Brandstifter war. Während Sir Anthony ihm zuhörte, verwandelte sich seine Skepsis in Schock, seine Ungläu-bigkeit in
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