Feuer der Leidenschaft
Weg nach Ravensbeck.
Er hatte bisher noch nie den Seenbezirk besucht und war fasziniert von der Einsamkeit und Majestät dieser Landschaft. Wenn er es nicht so eilig gehabt hätte, würde er vermutlich zwischendurch angehalten haben, um die Aussicht zu bewundern oder vielleicht auch eine Aquarellskizze von ihr anzufertigen. Doch er würde noch genügend Zeit dafür haben, die Szenerie zu genießen, sobald er wußte, daß Rebecca in Sicherheit war.
Lady Bowden trank ihren Tee aus und stellte die Tasse mit einem leisen Klirren auf den Tisch zurück. Dann hob sie den Kopf und musterte ihren Gatten mit ernstem Blick. »Wie ich hörte, sind Anthony und dessen Tochter bereits in Ravensbeck eingetroffen, um dort den Sommer zu verbringen.«
Bowden, der gerade seine Tasse zum Munde führen wollte, erstarrte mitten in der Bewegung und fragte mit barscher Stimme: »Und was kümmert dich das, Margaret?«
Lady Bowden verschränkte nun die Hände fest auf ihrem Schoß. »Es ist ein herrlicher Tag. Ich werde nach Ravensbeck fahren, um der Familie mein Beileid über Helens Tod auszusprechen, was ich bereits im vergangenen Sommer hätte tun sollen.«
Ihr Gatte stellte nun seine Tasse so heftig auf die Untertasse zurück, daß der Henkel abbrach. »Wir wollen mit keinem Mitglied dieses Hauses etwas zu schaffen haben!«
»Vielleicht gilt das für dich, aber nicht für mich«, erklärte sie mit stählerner Stimme. »In all den Jahren unserer Ehe habe ich deine Vernarrtheit in Heien und deinen Haß auf deinen Bruder stillschweigend erduldet; aber jetzt nicht mehr. Anthony und Heien haben sich ineinander verliebt und dann geheiratet. Damit haben sie zwar schlechte Manieren bewiesen, aber sich keineswegs eines Verbrechens schuldig gemacht. Es war pure Böswilligkeit von dir, diesen netten jungen Mann anzuheuern in dem Bemühen, deinem Bruder einen Mord anzuhängen.«
Sein Unterkiefer klappte herunter: »Woher weißt du denn das?«
»Deine eigene Ungeduld hat dich verraten.« Sie erhob sich vom Tisch. »Du hast Heien nie wirklich gekannt. Sie war eine Frau von stürmischem Charakter, die dich vermutlich sehr unglücklich gemacht hätte. Sie hatte Affären, wie du weißt. Würdest du dir so etwas als Ehefrau gewünscht haben? Wohl kaum. Es wird Zeit, daß du aufhörst, ihr wie ein Jüngling von siebzehn Jahren nachzutrauern.«
Er sprang nun ebenfalls von seinem Stuhl auf und schnaubte: »Ich verbiete dir, nach Ravensbeck zu fahren!«
»Wollt Ihr mich etwa hier gefangenhalten, mein Lord Ehemann?« erwiderte sie mit feinem Spott. »Gedenkt Ihr mir die Türen meines eigenen Hauses zu versperren, nachdem ich Euren Bruder besucht habe? Ich glaube nicht, daß Ihr das tun werdet, Mylord.«
»Hast du dich etwa all diese Jahre über nach Anthony gesehnt?« rief er wütend. »Hast du ihn gar heimlich besucht wie all seine anderen Huren?«
Ihre Stimme wurde zu Eis. »Mach dich jetzt nicht lä-
cherlich, Marcus. Du kannst mich ja begleiten, wenn du willst, oder es auch sein lassen, aber aufhalten wirst du mich nicht können.«
Damit drehte sie sich um und verließ mit bebenden Händen das Zimmer. In all den Jahren ihrer Ehe hatte sie niemals auszuprobieren gewagt, wie groß ihr Einfluß auf ihn war. Es war durchaus möglich, daß sie die Grenzen der bescheidenen Macht, die sie über ihn hatte, überschritten hatte. Aber nachdem sie achtund-zwanzig Jahre im Schatten einer anderen Frau gelebt hatte, wurde es höchste Zeit, daß sie ihre Hoffnung darauf setzte, ihrer Ehe einen Platz an der Sonne zu verschaffen.
Lord Bowden sank mit dem Gefühl, daß der Fußboden plötzlich unter ihm eingebrochen war und er in einen Abgrund hinunterzustürzen drohte, wieder auf seinen Stuhl zurück. Wie konnte Margaret ihn nur auf eine solche Weise verraten?
Aber waren die Jahre, in denen er von einer anderen Frau besessen war, nicht auch eine Art von Verrat an seiner Gattin gewesen? Er hatte Heien in London zuweilen aus der Ferne gesehen, sie mit brennenden Augen angestarrt und sich gefragt, wie das Leben mit ihr wohl ausgesehen haben mochte, wenn Anthony nicht zwischen sie gekommen wäre. Doch wenn Margaret recht hatte mit ihrer Behauptung von Helens Temperament und Affären, mußte er Heien tatsächlich nicht wirklich gekannt haben.
Er dachte an Heien und ihre Schönheit und erkannte in diesem Moment, daß das, was er für sie empfand, nicht Liebe war, sondern die Erinnerung an eine Liebe. Die Frau seiner Träume würde ihn nicht eines anderen Mannes
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