Feuer der Leidenschaft
Entsetzen.
»Wenn Heien sich nicht selbst getötet hat…«, sagte Sir Anthony, als Kenneth mit seinen Ausführungen zu Ende war. »Mein Gott, Ihr könnt ja gar nicht ermessen, was das für mich bedeutet…« Seine Stimme brach. Trauer und Zorn spiegelten sich jetzt auf seinem Gesicht, aber auch eine Erleichterung darüber, daß eine schreckliche Bürde von ihm genommen war.
Sie ritten nun schweigend nebeneinander her, während Kenneth sein Pferd in dem rauhen Gelände zu einer immer schnelleren Gangart antrieb. Dieses bange Gefühl, das ihn beschlichen hatte, als Rebecca vor ein paar Tagen London verließ, hatte sich nun fast zu einer Panik ausgewachsen, wenngleich sein Verstand ihm immer wieder sagte, er würde sich unnötig Sorgen machen. Er würde Rebecca auf dem Gipfel des Skelwith Crag beim Malen einer Landschaft antreffen und sie ihm auf eine unmißverständliche Weise erklären, was für ein Narr er doch sei, alle Leute ihretwegen so verrückt zu machen.
Er würde der glücklichste Mensch sein, wenn er sich täuschte …
Kapitel 32
Guten Tag, Rebecca.«
Sie wäre vor Schreck fast aus der Haut gefahren, als sie plötzlich eine ihr vertraute Stimme so nahe bei sich hörte.
Es mußte wohl an dem sausenden Wind liegen, der hier oben blies, und daß sie so sehr in ihre Arbeit vertieft gewesen war, daß sie sein Kommen nicht bemerkt hatte.
Sie blickte hoch, die rechte Hand etwas zur Seite drehend, damit die Farbe, mit dem sie ihren Pinsel getränkt hatte, nicht auf das Bild tropfte.
»Guten Tag, Lord Frazier«, sagte sie kühl. »Ich hatte gar nicht gewußt, daß Ihr vorhattet, schon so früh aufs Land zu ziehen.«
»Ein spontaner Entschluß«, erwiderte er, während er die Aussicht studierte, sich dabei leicht mit der Reitgerte gegen den Schenkel klopfend.
Ein Jammer, dachte sie trocken, daß er nicht in London geblieben war. Wie ermüdend, nun den ganzen Sommer über ihn zu stolpern - in den Hügeln oder in der Halle von Ravensbeck, wo er sich wahrscheinlich täglich zu einem Besuch ihres Vaters einfinden würde. Dieser Mann schien kein unabhängiges Leben führen zu können, war nichts anderes als der Trabant seines Vaters. Aber man mußte ihn trotzdem höflich behandeln. »Der Seenbezirk ist eine willkommene Abwechslung nach der Stadt, nicht wahr?«
Er griff in seine Westentasche. »Ich hatte hier eine Mission zu erfüllen, Euch ein kleines Präsent zu machen.«
Da sie nichts von ihm annehmen wollte, sagte sie: »Wenn es ein Verlobungsgeschenk ist, muß ich es ablehnen. Lord Kimball und ich sind zu der Ansicht gekommen, daß wir nicht zueinander passen.«
»Es ist kein Verlobungsgeschenk.« Seine Lippen kräuselten sich, aber nicht zu einem Lächeln. »Jedenfalls nicht zu Eurer Verlobung. Hier.«
Er streckte den Arm aus. -Zögernd folgte sie seinem Beispiel, und er ließ einen kleinen Gegenstand auf ihre Handfläche hinunterfallen.
Es war das zu dem Freundschaftsring ihrer Mutter gehörende Mittelstück mit dem eingravierten Herzen.
Sie starrte auf den schmalen Reif aus Gold hinunter und spürte dabei eine Kälte bis in das Mark ihrer Knochen hinein. Kenneth hatte recht gehabt: Ihre Mutter war ermordet worden, und zwar von dem ältesten und besten Freund ihres Vaters.
Im Gefolge dieser Erkenntnis beschlich sie eine lähmende Angst, die ihr den Hals zuzuschnüren drohte. Stell dich dumm, flüsterte eine Stimme in ihr.
»Was für ein hübscher Ring, Lord Frazier. Vielen Dank.«
»Steckt ihn an«, befahl er.
Sie schob ihn mit bebender Hand auf den Ringfinger ihrer linken Hand. »Er ist mir ein bißchen zu weit«, sagte sie und wollte ihn wieder abziehen.
»Behaltet ihn an«, befahl er. »Heien war größer ‘als Ihr, aber das spielt keine Roller Der Ring ist nötig.«
Sie hatte jetzt nur noch einen Gedanken - sich so rasch wie möglich von hier zu entfernen. Und so sagte sie mit erzwungener Munterkeit: »Ich werde meinem Vater berichten, daß Ihr hier angekommen seid. Ich bin sicher, er wünscht, daß Ihr mit uns dinieren sollt. Ich sehe Euch also dann heute abend.«
Damit begann sie, ihre Malsachen in ihren Korb zu packen.
»Diese Mühe könnt Ihr Euch sparen«, sagte er im gelassenen Ton. »Ihr braucht Eure Wasserfarben nicht, wenn Ihr Euch zu Eurer Mutter gesellen werdet.«
Es war seine unglaubliche Ruhe, die sie am meisten erschreckte. Er hätte ebensogut mit ihr über das Wetter reden können.
Noch immer die Ahnungslose spielend, sagte sie: »Ich verstehe nicht, was Ihr damit
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