Feuer der Leidenschaft
meint.«
Er nahm die Reitgerte in beide Hände und drückte sie zu einem schlanken Bogen zusammen. »Ich denke, doch«, sagte er. »Ihr seid zwar ein mausiges kleines Ding, aber keineswegs auf den Kopf gefallen. Da ihr noch immer das traurige Ende von Heien beklagt, werdet Ihr Eurer Mutter jetzt in den Tod folgen. Niemand, der Eure
>Transfiguration<, das Gemälde von der stürzenden Frau, in der Ausstellung gesehen hat, wird sich darüber wundern. Nur schade, daß man die Bedeutung des Rings nicht verstehen wird. Es sind schließlich die Details, auf die es bei einem Bild ankommt.«
Ihre Chancen, ihm jetzt noch entrinnen zu können, waren gleich Null. Er war groß und kräftig, und seine eiskalte Ruhe machten ihn noch gefährlicher. Wenn sie ihn irgendwie aus der Fassung bringen konnte, konnte das vielleicht ein kleiner Vorteil für sie sein. »Wenn Ihr mich tötet, wird Kenneth sofort wissen, daß ich ermordet wurde. Er weiß inzwischen auch, daß meine Mutter ermordet wurde. Er wird sofort erkennen, daß mir das gleiche passiert ist.«
Frazier zuckte nur mit den Achseln. »Kimball muß wohl schlauer sein, als er aussieht, aber das wird ihm nicht viel nützen. Ich habe bereits beschlossen, ihn zu beseitigen.
Der Mann ist ein Ärgernis. Wie konnte er sich nur so aufplustern, weil ein paar Ignoranten seine häßlichen Bilder lobten.«
»Ihm werdet Ihr nichts anhaben können«, sagte sie wütend. »Er ist Soldat - ein Mann der Tat. Er könnte Euch mit bloßen Händen in Stücke reißen, wenn er das möchte.«
»Selbst Männer der Tat müssen sterben, wenn man sie mit einer Kugel mitten ins Herz trifft«, erklärte er ungerührt. »Wenn ich auch kein Soldat bin, kann ich doch ausgezeichnet mit einer Pistole umgehen.« Damit ging er auf sie los.
Ihr Herz krampfte sich vor Angst zusammen. »Warum tut Ihr das?« rief sie. »Mein Vater ist Euer Freund gewesen!
Wie könnt Ihr Euch von Eurer Eifersucht dazu hinreißen lassen, zum Mörder zu werden?«
Frazier hielt jetzt mitten im Schritt inne.
»Anthony ist mein Freund«, belehrte er sie, »der teuerste Freund, den ich auf dieser Welt habe. Das einzige, was ich mehr liebe als ihn, ist die Kunst. Meine Aktionen richten sich nicht gegen Anthony, sondern gegen die schädlichen Einflüsse, die seine Werke verdorben haben.«
Sie starrte ihn an. »Seine Werke verdorben haben? Er ist der größte Maler Englands, und seine Porträts, seine Landschaften und Historienbilder sind alles brillante Meisterwerke.«
Fraziers Gesicht verzerrte sich, die erste Gefühlsregung, die er bisher gezeigt hatte. »Sie sind alle nur Schund. Heien hat Anthony als Künstler verdorben. Als wir beide noch Akademieschüler waren, hatte er sich für die höchsten und edelsten Ideale der Kunst begeistert.
Seine frühen Gemälde im Erhabenen Stil des Grand Manner waren großartig - voller Noblesse und Eleganz.«
»Sie waren zwar wunderbar in der Ausführung, aber nicht sonderlich bedeutend«, gab sie zurück. »Erst, als er von der Akademie abgegangen war, hatte er zu seinem eigenen Stil gefunden und diesen zur Meisterschaft entwickelt.«
Fraziers Knöchel färbten sich weiß, als seine Finger sich um seine Gerte krampften. »Heien hat ihn zerstört. Um das Geld für ihren Unterhalt zu verdienen, begann er, geschmacklose Porträts und vulgäre Bilder zu malen, die Hampton in Kupfer stechen und an jeden Fischhändler verkaufen konnte, der einen Schilling in der Tasche hatte.
Anthony hätte ein genauso bedeutender Künstler werden können wie Reynolds. Statt dessen entweihte er sein Talent.«
Auf eine schreckliche Weise fasziniert von seinem verqueren Denken, fragte sie: »Haltet ihr etwa >Hora-tius an der Brücke< auch für ein Schundwerk?«
Frazier spuckte auf den Boden. »Das Bild ist ein perfektes Beispiel für das, was falsch ist an seinem Schaffen. Ein großes klassisches Thema, süperb ausgeführt. Es hätte tatsächlich brillant sein können, wenn es nicht so strotzen würde vor Sentimentalität. Er hat es mit seinem Emotionalismus verdorben. Wie schade, daß es bei dem Feuer in seinem Studio nicht verbrannt ist. Das Ideal des Grand Manner ist die Erhabenheit über die Natur, nicht das Schwelgen in Gefühlen.«
»Mein Vater hat den Stil des Grand Manner längst hinter sich gelassen«, gab sie ihm trocken zur Antwort.
»Er und andere wirkliche Künstler stellen die Welt auf eine erfrischend neue Weise dar. Sie sind nicht in den schablonenhaften Wiederholungen verstaubter Motive und
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