Feuer der Leidenschaft
Weise sie wohl am besten sein Wesen würde einfangen können - diese Mischung aus einem wilden kriegerischen Geist und einer feinsinnigen Beobachtungsgabe. Vielleicht sollte sie den Captain in seiner Armeeuniform malen. Sie hatte eine vage Erinnerung daran, daß Infanteristen eine dunkelgrüne Montur trugen. Darin würde er interessanter aussehen als die scharlachrote Farbe, die man üblicherweise bei den Paraden sah und die bei einem Gemälde die Leinwand gänzlich beherrschen würde. Sie konnte ihn am Ende einer Schlacht zeigen - müde, aber ungebrochen.
Sie schüttelte mißbilligend den Kopf. Obwohl das eine wirksame Darstellung sein würde, gehörte so ein Bild in den Waterloo-Zyklus ihres Vaters. So ein Gemälde würde nicht diese mythische Qualität haben, die ihr vorschwebte.
Sie versuchte sich Kenneth nun in einer mythischen weißen Toga vorzustellen. Sie lächelte bei diesem Gedanken. Frauen sahen in klassischen Gewändern oft großartig aus; die Frauenmode der französischen Revolution hatte sich diese antike Bekleidung zum Vorbild genommen. Aber den modernen Männern standen diese antiken Togen weniger gut zu Gesicht.
Sie überlegte sich eine Reihe von anderen möglichen Kompositionen, ohne eine darunter zu finden, die ihr passend erschien. Dann blätterte sie eine Seite zu weit und sah sich dort mit einer ihrer Skizzen von gefallenen Frauen konfrontiert, die ihr jetzt einen Stich ins Herz gaben. Sie riß diese Skizze heraus und warf sie mit einem gemurmelten Fluch ins Feuer. Kenneth Wilding mochte zwar ein Problem für sie sein; doch das Zusam-mensein mit ihm war zumindest für sie ein mit Schmerzen vermischtes Vergnügen.
Kapitel 8
Kenneth erwachte keuchend aus einem ruhelosen Schlaf.
Er litt wieder einmal unter einem seiner zahllosen Alpträume.
Er hatte schon immer ein ausgezeichnetes visuelles Erinnerungsvermögen gehabt. Er konnte sich an die genauen Farben eines Sonnenuntergangs erinnern oder das Gesicht eines Menschen aus dem Gedächtnis skizzieren, den er nur ein paar Minuten lang gesehen hatte. Da er vor ein paar Stunden Rebeccas Hand betrachtet hatte, hätte er nun, wenn er sich das wünschte, das Muster ihrer Handlinien exakt aufzeichnen können. Er hatte diese Begabung für einen Segen gehalten, bis er in die Armee eingetreten war. Denn es war weitaus angenehmer, sich an Sonnenuntergänge als an Schlachten zu erinnern.
Das letzte Bild von Maria tauchte nun wieder vor seinem inneren Auge auf. Der Magen wollte sich in ihm umdrehen, und so setzte er sich rasch im Bett auf, zündete die Kerze auf seinem Nachttisch an und zwang sich dazu, an etwas anderes zu denken. Er beschwor das Bild von Rebecca herauf, wie sich ihre Augen verengten, wenn sie einen Gegenstand studierte. Den Ansatz eines Grübchens in ihrer linken Wange. Ihre sich auf eine so herrliche freigeistige Art gebärdenden Haare.
Sie befand sich nur zehn Fuß von ihm entfernt auf der anderen Seite dieser Wand.
Während sein Puls sich bei dieser Vorstellung beschleunigte, wurde er sich gleichzeitig bewußt, daß solche Gedanken an sie ebenfalls mit Gefahren, wenn auch ganz anderer Art, verbunden waren. Dennoch war die Erregung, die diese Vorstellungen in ihm weckten, weitaus angenehmer als die Bilder von Tod und einer trostlosen Verzweiflung.
Da er wußte, daß er nun nicht mehr schlafen konnte, verließ er sein Bett und zog sich seinen schon recht fadenscheinigen Morgenmantel an. Er würde ein paar Skizzen anfertigen; denn er hatte schon in sehr jungen Jahren gelernt, daß für ihn das Zeichnen ein viel besseres Mittel war, der grimmigen Wirklichkeit zu entrinnen, als der Alkohol oder irgendwelche Ausschweifungen anderer Art. Das Zeichnen von friedlichen, menschenleeren Landschaften hatte eine sehr beruhigende Wirkung auf ihn. Nach der schrecklichen, ungemein blutig verlaufenden Belagerung von Badajoz hatte er ein paar Dutzend Aquarelle von spanischen Blumen angefertigt. Und Waterloo war für ihn der Auslöser für eine Serie recht passabler Pastellskizzen von spielenden Kindern gewesen.
Er ging zum Kleiderschrank, wo er sein Skizzenbuch und seine Zeichengeräte hinter seinen Anzügen versteckt hatte.
Als er hinter seinen an Bügeln hängenden Hosen mit der Hand herumtastete, berührte seine Hand einen glatten, metallenen Gegenstand, der dort in einer Ritze im Holz eingeklemmt war. Ein kurzer Ruck genügte, um ihn daraus zu befreien. Es war ein hübsches kleines Visitenkartenetui aus Silber. Als er dessen Dek-kel aufschlug,
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