Feuer der Leidenschaft
in sein Glas. »Sie stürzte von einer Klippe herunter, als sie in der Nähe ihres Landhauses spazierenging. Ich werde diesen Tag niemals vergessen.
Mein Arbeitszimmer ging auf die Einfahrt von Revens-beck House hinaus, und ich arbeitete gerade an Sir An-thonys Korrespondenz, als ich George Hampton, diesen Graveur, der die Stiche von Sir Anthonys Gemälden anfertigt, zum Haus rennen sah.« Ein krampfhaftes Zuk-ken zeigte sich auf Morleys Gesicht, als er sich wieder an diesen Moment erinnerte.
In der Pause, die nun folgte, fragte Kenneth: »Was hatte Hampton denn damals dort zu suchen?«
»Er machte dort Ferien. Das Landhaus von Sir Anthony befindet sich ja im Seenbezirk, der bei Künstlern sehr populär ist, müßt Ihr wissen.« Seine Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Hampton machte einen so verstörten Eindruck, daß ich hinausging, um ihn zu fragen, was denn passiert sei. Er sagte, er habe gesehen, wie jemand von der Steilwand des Skelwith Crag heruntergestürzt sei, und deshalb wäre er nach Ravensbeck gerannt, um Hilfe zu holen.« Morley schluckte schwer. »Ich fragte ihn, was die verunglückte Person denn angehabt habe. Und als Hampton sagte, ein grünes Kleid, wußte ich sofort Bescheid. Lady Seaton hatte an diesem Morgen ihr hübschestes grünes Kleid angezogen. Sie sah so schön darin aus …« Seine Stimme brach.
Kenneth ließ dem jungen Mann Zeit, seine Fassung wiederzugewinnen, ehe er sagte: »Also habt Ihr Sir Anthony und die männlichen Bediensteten zusammengerufen, ein Seil genommen und seid dann mit den Männern losgezogen, um der Sache nachzugehen.«
»Stimmt. Nur daß Sir Anthony gar nicht im Hause war, als Hampton Hilfe holen wollte. Und auch Miss Seaton nicht.
Und deshalb oblag es mir, mich um die Rettung oder Bergung der Verunglückten zu bemühen.«
»Waren Sir Anthony und seine Tochter denn gemeinsam ausgegangen?«
»Nein. Miss Seaton hatte erst nach ihrem Vater das Haus verlassen, um einen Spaziergang zu machen. Sie kam uns dann entgegen, als … als wir die Leiche ihrer Mutter zum Haus trugen.«
»Wie schrecklich für sie«, murmelte Kenneth. »Und für Euch. Jetzt auch noch eine heulende Frau am Rockzipfel hängen zu haben, mußte Euch ja noch mehr belasten.«
Morley schüttelte den Kopf. »Miss Seaton hat nicht geweint.
Ihr Gesicht war schneeweiß, aber sie sagte kein Wort und vergoß keine einzige Träne. Schien mir ein verdammt unnatürliches Verhalten zu sein.«
»Höchstwahrscheinlich stand sie unter einem Schock.«
Kenneth goß dem jungen Mann noch ein Glas Ale ein.
»Wann hat Sir Anthony von dieser Tragödie erfahren?«
»Als er nach Hause kam, um sich zum Dinner umzuziehen.« Ein Schatten lief über Morleys Gesicht hin. »Ich glaube, daß er bei einer anderen Frau gewesen ist. Es war schließlich kein Geheimnis, daß er es mit der ehelichen Treue nicht so genau nahm.«
»Seid Ihr derjenige gewesen, der ihm die traurige Nachricht überbringen mußte?«
Morley nickte. »Es war die seltsamste Geschichte, die ich je erlebt habe. Er fauchte: >Zum Teufel mit ihr!< stieß mich dann zur Seite und ging in Lady Seatons Schlafzimmer, wo wir sie aufgebahrt hatten. Es war so, als könnte er gar nicht glauben, daß sie tot sei. Ich begleitete ihn. Sie … sie sah so aus, als würde sie nur schlafen.
Erjagte mich dann buchstäblich aus dem Zimmer und verbrachte die ganze Nacht dort. Am nächsten Morgen kam er dann so ruhig, als wäre nichts geschehen, wieder heraus und gab Anweisungen für ihr Begräbnis.« Morleys Finger spannten sich so fest um sein Glas, daß die Knöchel weiß hervortraten. »Dieser egoistische Bastard zeigte nicht eine Spur von Trauer darüber, daß seine Frau tot war.«
Kenneth hatte genug Kummer in seinem Leben gesehen, um zu wissen, daß er viele Formen annehmen konnte.
Daß Sir Anthony eine ganze Nacht am Bett neben seiner toten Frau gesessen hatte, schien ihm nicht gerade ein Zeichen von Gefühllosigkeit zu sein.« Wie ist es denn zu diesem tragischen Unfall gekommen? Herrschte stürmisches Wetter an dem Tag oder ist ein Stück von der Steilwand abgebrochen?«
Morley machte ein bekümmertes Gesicht. »Weder noch.
Das Wetter war so schön, daß man einen herrlichen Ausblick vom Skelwith Crag hatte. Das ist einer ihrer Lieblingsplätze gewesen. Es war uns fast unbegreiflich, wie es zu diesem Unfall kommen konnte.«
Kenneth sagte nun im erschrockenen Ton: »Tatsächlich?
Wäre es denn möglich, daß es gar kein Unfall gewesen ist? Daß da jemand
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