Feuer der Leidenschaft
nachgeholfen hat?«
»Nein«, erwiderte Morley eine Spur zu rasch. »Die Leichenschau war eine reine Formalität.«
»Wenn aber jeder davon überzeugt ist, daß Lady Seatons Tod ein Unfall war, dann verstehe ich nicht, warum keiner darüber reden möchte«, erwiderte Kenneth mit gespielter Ratlosigkeit. »Gibt es da vielleicht etwas, das ich nicht wissen sollte?«
»Ein Geheimnis? Nein«, erwiderte Morley schroff. »Es ist wohl nur das Bedauern, daß sie so früh und so plötzlich aus dem Leben scheiden mußte, warum man nicht gern darüber spricht.« Er stand auf. »Ich muß jetzt wieder ins Büro zurück und mich um meine Arbeit kümmern. Es war mir ein Vergnügen, Euch kennengelernt zu haben, Captain. Sir Anthony ist zweifellos bei einem Sekretär, der so gründlich ist, wie Ihr das seid, in guten Händen.«
Dann ging er rasch aus dem Lokal.
Kenneth ließ sich noch eine Weile Zeit, um in Ruhe sein Ale auszutrinken und über das nachzudenken, was er eben gehört hatte. Morleys Verhalten schien ihm auf die Möglichkeit hinzudeuten, daß der Verdacht, es könnte sich bei Heien Seatons Tod vielleicht um ein Verbrechen handeln, nicht ganz unbegründet war. Wenn George Hampton und diese mysteriöse Mätresse zur Zeit von Lady Seatons Tod in der Nähe von Sir Anthonys Landhaus gewesen waren, konnten sich damals vielleicht noch andere Mitglieder seines Freundeskreises dort aufgehalten haben. Er machte sich in Gedanken eine Notiz, um das nachzuprüfen.
Was konnte Sir Anthony gemeint haben, als er sagte:
>Zum Teufel mit ihr Der Fluch konnte eine zornige Reaktion von jemandem gewesen sein, der sich nun durch den Tod einer Geliebten alleingelassen fühlt. Aber es konnte auch die Verdammung einer anderen Frau bedeuten. War es möglich, daß diese mysteriöse Mätresse die Ehefrau ihres Geliebten umgebracht hatte, in der Hoffnung, daß Sir Anthony sie dann heiraten würde?
Wenn das zutraf und Sir Anthony sie der Tat verdächtigte, wäre das eine Erklärung dafür, warum er diese Affäre so abrupt beendet hatte. Es würde auch seine Schuldgefühle erklären, falls er wußte, wer diesen Mord begangen hatte, es aber nicht fertigbrachte, dem Gericht den Beweis dafür zu liefern und seine ehemalige Geliebte damit an den Galgen zu bringen.
Kenneth ermahnte sich, daß diese Überlegungen reine Spekulationen waren, trank seinen Krug aus und verließ die Taverne. Dank ihres gemeinsamen Interesses für Pferde hatte Kenneth inzwischen auch eine freundschaftliche Beziehung zu Phelps, Sir Anthonys langjährigem Reitknecht und Kutscher, hergestellt. Er nahm sich jetzt vor, in den nächsten paar Tagen auch diesen Mann ernsthaft zu befragen.
Was Rebecca anlangte, so hoffte er, daß er sie in der intimen Umgebung ihres Studios dazu bringen konnte, ihm ihre Version vom Tod ihrer Mutter zu erzählen.
Kapitel 9
Rebecca legte ihren Skizzenblock auf ihren Schreibtisch, lehnte sich zurück und streckte die Arme über den Kopf.
Obwohl Besessenheit für sie kein Fremdwort war, konnte dieser Zustand zuweilen doch verdammt lästig werden. Es war nicht ungewöhnlich, daß sie zuweilen Tage oder gar Wochen dazu brauchte, um sich schlüssig zu werden, wie sie ein Thema oder eine Figur am besten darstellen konnte. Dann gingen ihr den ganzen Tag Bilder durch den Kopf und ließen sie zuweilen auch nachts nicht schlafen, bis sie die ihr richtig erscheinende Lösung gefunden hatte.
Obwohl sie sich dabei oft wie ein Hund vorkam, der an einem blanken Knochen nagt, wurde sie durch die Freude, die sie über eine gute Idee empfand, für den mühsamen Prozeß mehr als reichlich entschädigt.
Doch seit dem Tod ihrer Mutter war sie nie mehr wirklich von einer Idee besessen gewesen - bis sie Kenneth Wilding unten auf der Straße gesehen hatte. Jetzt war sie eine besessene Frau. Die Intensität ihrer Gefühle machten es ihr schwer, zu entscheiden, wie sie ihn auf einem Porträt am besten darstellen konnte. Sie wollte etwas Besonderes erschaffen, etwas, das seine einzigartigen seelischen und körperlichen Eigenschaften einfangen würde. Dann würde er ihr auf eine bescheidene, aber dafür sichere Weise für immer gehören.
Auch die Tatsache, daß sich sein Zimmer gleich neben dem ihren befand, war für ihre Ideenfindung nicht gerade hilfreich. Sie blickte zu der Wand hinüber, die sie mit seinem Quartier teilte, und dachte, daß sie bisher noch nie einen Gedanken daran verschwendet hatte, daß die Sekretäre ihres Vaters dort Wand an Wand mit ihr
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