Feuer der Leidenschaft
europäischen Stil in Auftrag zu geben, und erteilte meinem Vater den Auftrag dazu. Ihm gefiel das fertige Gemälde so gut, daß er auch ein Porträt von seinen beiden Ehefrauen, die er nach London mitgebracht hatte, aus Vaters Werkstatt haben wollte. Da es aber einem fremden Mann nicht erlaubt war, die beiden Frauen unverschleiert zu sehen, schlug mein Vater ihm vor, das Porträt von mir malen zu lassen. Der Teppich war Mirza Hassan Khans Geschenk für mich, als ich mich weigerte, Geld für das fertiggestellte Porträt seiner Ehefrauen anzunehmen.«
»Er muß außerordentlich zufrieden gewesen sein mit Eurer Arbeit«, sagte er beeindruckt. »Der Teppich muß ein Vermögen wert sein.« Er strich mit der Hand über den Seidenflor der Brücke hin. »Eines Königs würdig. Ich fühle mich geehrt, ihn berühren zu dürfen, solange ich Euch zu dem Porträt Modell sitze.«
Die Perserbrücke vermittelte exakt diesen Eindruck orientalischer Sinnenfreude, den sie erreichen wollte. Ihr Puls beschleunigte sich vor Freude und Genugtuung darüber, daß sie jetzt Zug um Zug die richtigen Elemente für die ihr vorschwebende Bildgestaltung fand.
Nun galt es noch, die endgültige Pose zu finden, in der sie ihn auf dem Bild darstellen wollte. In der Regel gab sie den Modellen genaue Anweisungen dazu. Aber sie vermutete, daß Kenneth nur eine Anregung brauchte, um diese Pose selbst einnehmen zu können. »Nehmt eine bequeme Stellung ein, die Ihr lange Zeit durchhalten könnt«, sagte sie. »Ich möchte, daß Ihr entspannt
ausseht, aber auch wachsam. Eher wie ein sich ausruhender Löwe als ein aufrecht sitzender Krieger.«
Er lehnte sich zurück und zog sein linkes Bein an, so daß sein mit einem Stiefel bekleideter Fuß auf dem Rand des Sofasitzes zu liegen kam. Dann schlang er lässig einen Arm um das angewinkelte Bein. Damit kombinierte er den Effekt einer ruhigen Sorglosigkeit mit der versteckten Drohung, daß er jederzeit aufspringen und gefechtbereit sein konnte.
»Ausgezeichnet«, sagte sie. »Und nun schaut mich an, als wäre ich ein faules, unverschämtes Mitglied Eurer Besatzung.«
Sein Gesichtsausdruck wurde sofort härter, so daß die Narbe darauf deutlich hervortrat. Er sah jetzt Zoll für Zoll wie ein Piratenkapitän aus, der mit der gleichen Unbekümmertheit töten und lieben konnte.
Sie biß sich auf die Unterlippe, während sie nun alle Elemente ihres Bildaufbaus im Geiste durchging. Sie würde sein Gesicht in ein dramatisches Licht tauchen und den Rest der Szene im Halbdunkel halten, um den Charakter des Geheimnisvollen zu betonen. So weit, so gut. Aber da fehlte immer noch etwas. Es war leicht, Kenneth wild und verwegen aussehen zu lassen. Aber wie konnte sie auch die scharfsinnige und kontemplative Seite seines Wesens darstellen?
Sie ging um ihn herum und versuchte, den perfekten Blickwinkel zu finden. Da wurde sie auf etwas Schimmerndes, Bewegtes am Rande ihres Gesichtsfeldes aufmerksam. Es war der Widerschein der Kerze im Spiegel auf ihrer Frisierkommode. Ihr Blick wanderte nun rasch von Kenneth zum Spiegel hin, während eine Idee in ihr aufkeimte,
Heureka! Ihre Erregung wuchs. Sie würde ein Doppelporträt von ihm machen. Der Schwerpunkt des Bildes würde auf ihm liegen, wie er den Betrachter herausfordernd anstarrte. Aber rechts von ihm würde sie ein Spiegelbild seines Profils zeigen, in dem sie seine stets auf Gefahren vorbereitete, wachsame Intelligenz darstellen konnte. Dieses Abbild durfte nicht so hell sein wie ein echtes Spiegelbild - das wäre zu stark und würde den Blick zu sehr von der eigentlichen Figur ablenken. Sie wollte dafür eine Wand aus poliertem schwarzen Marmor benützen, so daß der Betrachter schon genauer hinschauen mußte, um diesen hinter seinem verwegenen Aussehen versteckten Wesenszug erkennen zu können.
Als sie nun nach ihrem Skizzenblock griff, erwachte Gray Ghost und machte einen Satz vom Bett zum Sofa hinüber, auf dem er mit einem hörbarem Plumpsen landete, um sich dann neben seinem Schenkel darauf auszustrecken. »Wird der Kater Euch jetzt die Bildkomposition verderben?« fragte Kenneth und begann, dem Kater den Kopf zu kraulen.
Rebecca lachte laut, nun fast trunken vor Freude, wie sich alles nun zum besten fügte. Und da hatte sie erst vor einer halben Stunde zu Gray Ghost gesagt, daß er ihr noch nie eine brauchbare Idee geliefert hätte! »Im Gegenteil«, sagte sie ein wenig atemlos. »Gray Ghost ist der krönende Abschluß des Ganzen. Ich werde ihn größer
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