Feuer der Leidenschaft
von Sir Anthony zu erfahren. Es war durchaus möglich, daß ein Streit zwischen zwei so temperamentvollen Ehepartnern vielleicht zu einer ungewollten Gewalttat eskaliert war.
Die Liebesaffären der beiden Seatons hatten zweifellos eine Fülle von Motiven für einen Streit und sogar für einen Tötungsdelikt geliefert. Vielleicht hatte George Hampton Heien dazu überredet, ihren Gatten zu verlassen und offen mit ihrem Liebhaber zusammenzuleben; und Sir Anthony war bei dieser Nachricht von einem >mörderischen< Zorn ergriffen worden. Oder
möglicherweise war Heien so eifersüchtig auf diese mysteriöse Mätresse ihres Mannes geworden, wie ihr das bei seinen früheren Geliebten noch nie passiert war. Oder vielleicht hatte diese Mätresse beschlossen, ihre Rivalin aus dem Weg zu räumen, und Sir Anthony hatte nach der Tat davon erfahren und die Beziehung zu ihr beendet, es aber nicht fertiggebracht, seine bisherige Geliebte dem Gericht zu überantworten, weil er sich für den wahren Schuldigen am Tod seiner Frau hielt.
Warum konnten diese Leute sich nicht darauf beschränken, mit ihren Ehepartnern zu schlafen, verdammt noch mal?
Er wurde aus seinem Gedankengang herausgerissen, als Rebecca von ihrer Arbeit aufsah und sagte: »Dieser gefährliche Ausdruck auf Eurem Gesicht ist gut, aber Ihr müßt versuchen, Euch ein wenig zu entspannen, weil Ihr sonst spätestens in einer halben Stunde Muskel-krämpfe bekommt.«
Er bemühte sich, ihrer Anweisung Folge zu leisten. Es war gewiß angenehmer, sich zu überlegen, ob Rebec-cas nachlässig im Nacken aufgesteckte Haare die ganze Sitzung über in diesem Zustand verharren oder sich bei der nächsten etwas heftigeren Bewegung ihres Kopfes aus ihren Spangen lösen und ihr über die Schultern hinunterrollen würden.
Auch ihre unglaubliche Großzügigkeit, ihm einen Arbeitsraum und die zum Malen notwendigen Gerätschaften zur Verfügung zu stellen, hätte ihm reichlich Stoff für angenehme Gedanken geliefert, wenn sich dabei nicht auch sein schlechtes Gewissen in ihm gerührt und ihm die Freude daran verdorben hätte.
Das Sofa sackte in diesem Moment unter dem Gewicht von Gray Ghost ein, der aus irgendeinem verborgenen Winkel des Studios hervorgekrochen sein mußte, um dann auf das Sofa zu springen und sich dort in einer perfekten Pose neben Kenneths Schenkel niederzukau-ern, was Kenneth zu der Bemerkung veranlaßte: »Euer Kater ist das geborene Künstlermodell.«
»Er ist sicherlich sehr gut, was das Ausharren in einer Pose betrifft.« Die Stirn runzelnd, zog Rebecca sich nun einen mit Farben beschmierten Kittel an. »Ich habe noch nie Malunterricht gegeben, und ich weiß daher nicht so recht, wo ich anfangen soll. Wie ich Euch bereits gesagt habe, ist das Malen genauso ein Handwerk wie die Herstellung von Uhren oder das Beschlagen von Pferden. Ein Maler, der sein Handwerk hervorragend beherrscht, ist jedoch nicht notwendigerweise auch ein großer Künstler. Aber auch ein Talent wird ohne handwerkliches Geschick niemals ein großer Künstler werden.«
»Mit dieser Erklärung habt Ihr mir bereits eine wichtige Lektion erteilt«, sagte Kenneth. »Nun nehmt einmal an, daß ich nichts über Ölfarben und über den Umgang mit diesen Farben weiß, was der Wahrheit ja auch sehr nahe kommt.«
»Gut«, erwiderte sie und dachte einen Moment nach. »Die großartigen Gemälde der alten Meister wurden mit größter Sorgfalt und Mühe hergestellt, wobei das endgültige Bild zumeist das Ergebnis einer Reihe von über-einanderliegenden Farbschichten ist, so daß leuchtende Farben einer tieferen Schicht oft in einer sanften Glut durch transparente darüberliegende Schichten hindurchschimmern.
Herrliche Effekte konnten auf diese Weise erzielt werden; aber das Ganze war ein sehr zeitraubendes Verfahren. Heute befleißigt man sich einer direkten Malweise, indem man die Farben, die auf einem Gemälde erscheinen sollen, von Anfang an verwendet. Diese Technik erlaubt ein viel schnelleres Arbeiten,
und was man dabei an Tiefe verliert, wird durch Spontanität wieder wettgemacht.«
»Ist das der Grund, warum Euer Vater so produktiv sein kann?«
»Das ist einer der Gründe«, pflichtete sie ihm bei. »Aber er bereitet sich auch in technischer Hinsicht sehr gründlich auf seine Arbeiten vor. Ehe er ein Gemälde in Angriff nimmt, mischt er die Grundfarben, die Halbtöne und die Glanzlichter an, die er wahrscheinlich für die Darstellung des Themas oder des Gegenstandes, das oder den er sich
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