Feuer der Leidenschaft
zu einer schlechten Informationsquelle. Aber Ken-neth mochte den Mann und schätzte seine Gesellschaft. Nachdem er das Pferd trockengerieben hatte, trat er zu Phelps unter die Stalltüre und sagte: »Ein kalter Morgen heute. Man kann kaum glauben, daß es jetzt bald Frühling werden soll.«
»Kann nicht früh genug sein«, erwiderte Phelps, an seiner Pfeife saugend, um den Rauch dann langsam durch die Nase entweichen zu lassen. »Bin froh, wenn wir London verlassen und in das Landhaus umziehen.«
»Wann zieht Sir Anthony denn in der Regel aufs Land?«
Wieder ringelte sich eine Tabakswolke in den Nebel hinauf.
»Ungefähr zwei Wochen nach Eröffnung der Ausstellung in der Royal Academy.«
Das Datum für die Eröffnung dieser jährlich stattfindenden Ausstellung war immer der erste Montag im Mai, so daß der Umzug in den Seenbezirk also Mitte Mai stattfinden mußte.
Bis dahin waren es noch zwei Monate.
Kenneth fragte sich, ob er dann noch ein Mitglied von Sir Anthonys Haushalt sein würde.
»Hält sich denn Miss Seaton auch lieber auf dem Land als hier in der Stadt auf?«
»Oh, ja. Das bekommt ihr gut. In London setzt Miss Rebecca doch so gut wie nie einen Fuß vor das Haus.«
Es wurde Kenneth nun bewußt, daß Phelps recht hatte. Er machte sich im Geiste eine Notiz, daß er Rebecca dazu überreden sollte, öfter an die frische Luft zu gehen.
Da Phelps heute in einer relativ gesprächigen Laune zu sein schien, sagte Kenneth: »Wie ich hörte, sollen auch viele von Sir Anthonys Bekanntenkreis in den Seenbezirk umziehen, wenn er London verläßt.«
»Aye, richtig. Lady Claxton, Lord Frazier und noch ein halbes Dutzend andere von seinen Bekannten.« Phelps schnitt eine Grimasse. »Als ob wir sie in London nicht schon genug zu sehen bekämen.«
»Auch George Hampton verbringt dort den Sommer, nicht wahr?«
»Er macht dort nur ein paar Wochen Urlaub, weil er ja seine Druckerei beaufsichtigen muß, die er hier in London betreibt«, erklärte Phelps. »Meistens im August.«
Kenneth fragte sich, ob es von Bedeutung war, daß Heien Seaton im gleichen Monat gestorben war, in dem George Hampton sich dort in ihrer Nachbarschaft aufgehalten hatte.
Als ihr Liebhaber mußte er notwendigerweise zum Kreis der Verdächtigen gehören. »Wie ich hörte, hat Hampton auch die Leiche von Lady Seaton nach ihrem tödlichen Unfall entdeckt.«
Die Zähne des Kutschers schlössen sich jetzt hörbar um seinen Pfeifenstiel. Nach einem längeren Schweigen meinte er widerstrebend: »Da habt Ihr richtig gehört. Das war ein schlimmer Tag. Ein sehr schlimmer Tag.«
»Ihr Tod muß ein großer Schock für Euch gewesen sein.«
»Vielleicht nicht gar so groß, wie Ihr meint«, erwiderte Phelps geheimnisvoll.
Betroffen studierte Kenneth nun das Gesicht des Kutschers.
»Habt Ihr denn so eine Tragödie erwartet?«
»Nicht erwartet. Aber überrascht hat es mich nicht.«
Da Kenneth spürte, daß der Kutscher ihm nicht die Gründe nennen würde, die ihn zu dieser Aussage veranlaßten, sagte er: »Wie ich hörte, sollen Mr. Hampton und Lady Seaton sich auch sehr … nun … nahegestanden haben.«
Phelps spuckte auf die Pflastersteine im Hof. »Zu nahe.
Sir Anthony hätte Hampton mit einer Reitpeitsche ver-prügeln sollen. Aber nein, sie waren die besten Freunde.
Sind es noch. Ein schamloses Völkchen, diese Leute, Wahrhaftig!«
»An solche Sitten bin auch ich nicht gewöhnt«, gab ihm Kenneth recht. »Und wie steht es mit Lord Frazier? Er scheint mir auch ein Auge für Ladies zu haben, die eigentlich jemand anderem gehören.«
»Aye. Es macht ihm besonders viel Spaß, wenn er Sir Anthony eine Frau wegnehmen kann.« Der Kutscher lächelte ein bißchen. »Nicht, daß Sir Anthony das stören würde. Er hat schließlich Wichtigeres zu tun, als immer nur auf irgendwelche Frauen aufzupassen.«
Durchaus möglich, daß unterschwellig eine Rivalität zwischen diesen beiden Männern existierte. Das konnte vielleicht auch auf Hampton zutreffen. Sir Anthonys Berühmtheit als Künstler übertraf bei weitem jene seiner beiden alten Freunde. Kenneth überlegte nun, ob er dem Kutscher jetzt noch weitere Fragen stellen oder besser das Thema wechseln sollte. Denn er hatte als Nachrichtenoffizier gelernt, daß Informanten mißtrauisch wurden, wenn man zu viel auf einmal von ihnen wissen wollte, und dann als Nachrichtenquelle für immer versiegten. Deshalb plauderte er jetzt noch eine Weile mit Phelps über Pferde, ehe er sich mit einer Entschuldigung
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