Feuer der Leidenschaft
vornehme Gesellschaft zu promenieren pflegt, im Park oder Museum sehen zu lassen, die zu ihren beliebten Ausflugszielen gehört, ist eine ganz andere Geschichte. Ich nehme an, daß dies kein Zeichen von Charakterstärke ist, aber ich würde mich dort nicht wohlfühlen.«
Er runzelte die Stirn. »Es sind jetzt fast zehn Jahre vergangen, seit Ihr mit einem jungen Mann durchgebrannt seid. Man muß diesen Skandal inzwischen doch längst vergessen haben.«
Sie lächelte humorlos. »Ihr unterschätzt das Gedächtnis der gesellschaftlich Rechtschaffenen. Ich bin vor einem halben Jahr bei meinem letzten Ausflug in das Britische Museum einer Schulfreundin begegnet. Ich kann Euch versichern, daß es kein angenehmes Wiedersehen für mich gewesen ist. Sie hat mich wie eine Aussätzige behandelt.«
»Ich meine doch, daß die Stellung Eures Vaters Euch vor so einer Behandlung beschützen müßte, wenn Ihr auszugehen wünscht.«
»Er ist ein berühmter Künstler, vom König in den Adelsstand erhoben. Ich hingegen bin eine entehrte Jungfer, also eine Schande für die Gesellschaft. Für mich gibt es nur einen Platz am Rande der Kunstwelt.« Sie blickte kurz zu ihm hoch. »Da Ihr von der Pike auf gedient habt, werdet Ihr vermutlich auch bei der Armee mit sozialer Ächtung Bekanntschaft gemacht haben. Oder hat man Euch als Offizier sofort respektiert, weil Ihr eine honorige Abstammung vorweisen konntet?«
Mit einem dünnen Lächeln erwiderte er: »Es kam mir gar nicht erst in den Sinn, zu versuchen, andere Offiziere von meiner gesellschaftlichen Ebenbürtigkeit zu überzeugen.
Das war eine sehr lehrreiche Erfahrung für mich. Ein paar Leute vom Offizierskorps verachteten mich meiner vermutlich vulgären Abstammung wegen. Die meisten akzeptierten mich jedoch, als ich ihnen meine Kompetenz bewies.« Er dachte jetzt an Michael Kenyon. »Und einige mochten mich so, wie ich war, und wurden meine Freunde.«
Sie seufzte. »Ihr seid mutiger als ich. Ich ziehe es vor, die Gesellschaft zu meiden, statt sie herauszufordern.«
Es war vermutlich leichter, in der Armee soziale Schranken zu ignorieren, wo der Krieg die höchsten Maßstäbe setzt, als in der künstlichen Welt von London, wo der Status alles bedeutete. Trotzdem hatte auch er, wie sie zu recht vermutete, genügend Erfahrung mit Leuten gemacht, die meinten, ihn schneiden zu müssen, und wußte, wie unangenehm so etwas sein konnte.
Sobald er die gesellschaftliche Stellung einnahm, die ihm kraft seiner Geburt und seines Ranges zustand, würde er beiden, Rebecca und Beth, helfen können. Und wenn Rebecca erst einmal damit anfing, auszugehen und Freundschaften zu schließen, würde sie nicht mehr ständig unter dem Trauma ihrer Vergangenheit leiden. Dann würde sie ein erfüllteres, sie eher zufriedenstellendes Leben führen können.
Sicherlich würden Michael und Catherine, wenn sie mit dem Beginn der Saison nach London kamen, bereit sein, Rebecca bei sich zu empfangen. Die beiden Frauen würden zweifellos Gefallen aneinander finden. Doch der Gedanke daran verschwand so schnell, wie er ihm gekommen war. Solange Kenneth als Sir Anthonys Sekretär fungierte, konnte er in gesellschaftlicher Hinsicht nichts für Rebecca tun. Zum Henker mit diesen Täuschungen, zu denen sein Auftrag ihn zwang!
Aber es konnte noch einen anderen, sogar besseren Weg geben, Rebecca wieder in der Gesellschaft zu etablieren.
»Ihr könntet Euch Euren eigenen Platz in der Gesellschaft erobern, wenn Ihr Eure Werke ausstellen würdet. Als anerkannte Künstlerin wurde Angelica Kauffmann in den höchsten Gesellschaftskreisen empfangen, obwohl auch sie Anlaß zu einer Reihe von Skandalgerüchten gegeben hatte.«
Rebeccas Gesicht verhärtete sich. »Ich habe kein Verlangen danach, meine Bilder auszustellen.«
»Ihr könntet aber doch wenigstens einige von Euren Gemälden der Prüfungskommission für die diesjährige Ausstellung vorlegen«, versuchte er sie zu überreden. »Ihr habt Dutzende von Bildern, die dafür geeignet wären.«
Sie knüllte ihre Serviette zu einem Ball zusammen, warf sie auf ihren Teller und erhob sich vom Tisch. »Ihr habt mir wohl nicht richtig zugehört, Captain«, sagte sie schroff. »Ich sagte, daß ich daran nicht interessiert bin.«
Damit drehte sie sich um und verließ das Früh-stückszimmer.
Er blickte ihr stirnrunzelnd nach. Zu schade, daß sie Angst hatte, die Grenzen ihrer sicheren kleinen Welt zu überschreiten. Er mußte da etwas unternehmen. Als er nun ebenfalls vom
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