Feuer der Leidenschaft
Großartigkeit haben, die den historischen Themen eignet, sind aber, für sich genommen, sehr gut«, erklärte Kenneth. »Und dem Porträt von Lady Seaton, das in seinem Büro hängt, ist sogar eine gewisse Großartigkeit nicht abzusprechen.«
»Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als er dieses Bild zu malen begann«, sagte Frazier mit einem entrückten Blick in den Augen. »Ein Dutzend von uns hatten sich auf dem Rasen von Ravensbeck zu einem Picknick versammelt. Nachdem wir eine Flasche Champagner geleert hatten, meinte Anthony, Heien sähe so reizend aus, daß er sie in diesem Zustand verewigen müsse. Und dann begab er sich sofort ins Haus, um eine Leinwand und Farben zu holen, weil er behauptete, er müsse sie im Freien malen, um das Licht richtig einfangen zu können. Wir lachten ihn alle aus — nur ein Tor würde es vorziehen, im Freien zu malen, statt unter den kontrollierten Bedingungen eines Studios. Trotzdem ist es dann ein recht gelungenes Porträt geworden.« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Und nur wenige Wochen später war Heien tot. Ich kann nicht an Anthonys Bemerkung, daß er sie unsterblich machen wollte, denken, ohne daß mir ein leiser Schauer über den Rücken liefe.«
»Ihr wart im Seenbezirk, als Lady Seaton dort tödlich verunglückte?«
»Ja. Tatsächlich waren sie und Anthony noch für den gleichen Abend mit mir zum Dinner verabredet.« Fraziers Gesicht nahm einen bekümmerten Ausdruck an.
»Anthonys Arbeiten haben unter Helens Tod sehr gelitten.
Ich mache mir Sorgen, daß er sich vielleicht nie mehr ganz von ihrem Verlust erholen könnte.«
»Tatsächlich?« erwiderte Kenneth unschuldig. »Ich dächte doch, daß seine Waterloo-Bilder allen Werken, die er bisher erschaffen hat, durchaus ebenbürtig sind.«
»Sie sind sicherlich kompetent«, erwiderte Frazier mit einem Anflug von Hochmut, »aber wenn Ihr ein Künstler wärt, würdet Ihr sogleich die ihnen innewohnenden Schwächen erkennen, den Verlust an Kraft und dramatischer Wucht.«
Sich angemessen von dem Urteil eines Experten beeindruckt zeigend, erwiderte Kenneth: »Wenn der Kummer Sir Anthonys Schaffen auf eine solche Weise beein-trächtigt, ist es eine doppelt so schlimme Tragödie.«
»Seine Reaktion läßt sich mit Kummer allein nicht erklären«, sagte Frazier, mehr zu sich selbst als zu Ken-neth.
»Sie scheint mir fast so etwas wie … wie Schuld zu sein.«
Kenneth blickte Frazier jetzt eindringlich an: »Was meint Ihr damit?«
Das Gesicht des Malers wurde ausdruckslos. »Nichts, ich hätte nicht darüber sprechen sollen.« Er senkte den Kopf und strich eine imaginäre Falte an seinem Rockärmel glatt.
»Ist Anthony frei? Ich bin hierhergekommen, um ihn zu fragen, ob er nicht mit mir Turners Galerie besuchen möchte.«
»Er befindet sich gerade mitten in einer Porträtsitzung. Aber ich bin sicher, er hätte nichts dagegen, wenn Ihr in sein Studio hinaufgehen und ihm guten Tag sagen würdet.«
»Nicht nötig.« Frazier setzte sich seinen vom Regen nassen Hut wieder auf. »Sagt ihm nur, ich wäre dagewesen. Ich sehe ihn heute abend sowieso noch im Club.«
Kenneth blickte Frazier stirnrunzelnd nach, als dieser wieder das Haus verließ. Was, zum Teufel, hatte der Mann nur gemeint? Obwohl er seinem Freund dessen Erfolg nicht gönnen mochte, war er doch sofort bereit gewesen, sich wieder von seiner Andeutung zu distanzieren, Sir Anthony könnte etwas getan haben, das sein Gewissen belastete.
Die Freunde des Malers waren von einer bewundernswerten Loyalität ihm gegenüber. Aber vielleicht erwiesen sie auch mit ihrem Verhalten Heien Seatons Andenken einen schlechten Dienst.
Kapitel 13
Zufällig blickte Rebecca aus dem Fenster und sah Kenneth zum Haus zurückkommen. Natürlich hatte sie nicht nach ihm Ausschau gehalten, war jedoch froh darüber, sich nun sicher sein zu können, daß er pünktlich zur Sitzung bei ihr erscheinen würde. Die Überwindung und die Kraft, die es sie gekostet hatte, um das Gemälde von der stürzenden Frau in Angriff zu nehmen, hatten in ihr ein großes Bedürfnis nach Gesellschaft geweckt.
Als Kenneth sich jedoch nicht in der nächsten Viertelstunde, wie von ihr erwartet, in ihrem Atelier einfand, beschloß sie, nachzusehen, was ihn denn so lange aufhielt. Sie befand sich gerade auf dem obersten Treppenabsatz, als sie ihn ein Gespräch mit Lord Frazier beenden sah. Sie hatte sich kurz über das Geländer gebeugt und zog nun rasch den Kopf zurück, weil sie nicht gesehen werden
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