Feuer der Leidenschaft
durch das Geländer nach unten, froh darüber, daß die Leute dort viel zu sehr mit sich beschäftigt waren, um zu ihr hinauf zuschauen.
»Was bringt euch denn hierher nach Seaton House?«
fragte Kenneth in diesem Moment.
Der Mann, den er Michael genannt hatte, antwortete: »Ein paar Freunde von uns haben Sir Anthony beauftragt, sie zu porträtieren, und haben uns daraufhin eingeladen, ihnen bei der Sitzung Gesellschaft zu leisten.« Er warf seiner Frau einen liebevollen Blick zu. »Das traf sich gut, weil ich mich ebenfalls mit dem Gedanken trage, Catherine von Sir Anthony malen zu lassen. Ich schätze seine Arbeiten sehr, und diese Einladung verschafft mir nun die Gelegenheit, Sir Anthony persönlich kennenzulernen.«
»Kein Porträt, wenn es nicht von der ganzen Familie gemalt wird«, sagte Catherine da entschieden. »Bist du ebenfalls hier, um ein Porträt in Auftrag zu geben?«
»Ich arbeite für Sir Anthony«, erwiderte Kenneth, ohne zu zögern. »Als sein Sekretär.«
Das war für seine Freunde offenbar eine Überraschung, von der sie sich aber schnell erholten. »Man muß sich vorkommen wie im Paradies, wenn man von so herrlichen Kunstwerken umgeben ist«, sagte Catherine voller Wärme.
»Kannst du morgen mit uns dinieren?«, fragte ihr Gatte.
»Es gibt so viel zu erzählen.«
»Das kann ich dir jetzt noch nicht versprechen.« Kenneth trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. »Ich werde dir Bescheid geben, wenn es möglich ist. Wo wohnt ihr in London?«
»In Ashburton House.« Michael nahm Kenneths Hand wieder in seine Hände. »Wenn du morgen nicht kommen kannst, mußt du uns unbedingt einen anderen Tag nennen.
Amy wäre wütend, wenn du uns nicht so bald wie möglich besuchst.«
Rebecca saß zusammengerollt wie ein Igel auf der Treppe, während sich jetzt dieses Ehepaar unten in der Halle von Kenneth verabschiedete. Der Schock über das, was sie soeben erfahren hatte, war groß und schmerzlich.
Sie hatte geglaubt, zwischen ihr und Kenneth bestünde ein besonderes Vertrauensverhältnis, und nun hatte sie erkennen müssen, daß sie nicht einmal seinen richtigen Namen gekannt hatte. Sie hatte sich offenbar wieder einmal in einem Mann getäuscht.
Zu spät hörte sie dann die Schritte, die die Treppe heraufkamen. Sogleich erstarrte wie wie eine Maus, die sich vor einem Habicht zu verstecken versucht.
Eine Sekunde später tauchte schon Kenneths Kopf vor ihr auf, seine Augen fast auf gleicher Höhe mit ihren. Er blieb abrupt stehen, und sein Gesicht wurde hart.
Nach einem kurzen, spannungsgeladenen Moment sagte er: »Ich nehme an, daß Ihr das Gespräch mit meinen Freunden belauscht habt.«
Da regte sich der Zorn in ihr. »Lord Kimball?« sagte sie eisig.
Er zuckte ein wenig zusammen bei ihrem Ton. »Laßt uns hinaufgehen in Euer Studio. Das ist ein besserer Platz zum Reden als die Treppe hier, und ich denke, daß wir beide jetzt eine Tasse Tee gut gebrauchen könnten.«
Er nahm nun die letzten Stufen bis zum Treppenabsatz und faßte dann nach ihrer Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen, die sie ihm sofort entriß, als sie wieder auf ihren Beinen stand. Dann drehte sie sich um und ging ihm wortlos zu ihrem Studio voran.
Als sie dieses erreicht hatten, begab er sich sogleich zum Herd, auf dem bereits der Wasserkessel zischte. Sie hatte gewußt, daß er naß und frierend von seinen Botengängen in der Stadt zurückkommen würde, und deshalb bereits ein Tablett mit Teegeschirr und Kuchen vorbereitet, damit sie sich erfrischen und stärken konnten, bevor sie mit der Arbeit begannen. Fürsorglich, romantisch — und geradezu sträflich naiv von ihr.
Ihr Ärger wuchs, als er nun das kochende Wasser in die Teekanne schüttete. Was für ein Recht hatte er dazu, sich so zu benehmen, als sei er hier zu Hause? In ihrem privaten Heiligtum? Zum Henker mit ihm!
Um den aufgebrühten Tee ziehen zu lassen, bevor er ihn einschenkte, stellte er die Teekanne auf das Tablett und sah sie dann mit einem verhaltenen Lächeln an. Offenbar hoffte er, sie mit einer scherzhaften Bemerkung besänftigen zu können.
»Ihr seht schon wieder aus wie ein wütendes ingwerfarbenes Kätzchen.«
»Ist das ein Wunder?« fauchte sie. »Ihr sorgt ständig für neue Überraschungen. Erst ein verkappter Künstler und nun ein verkappter Aristokrat. Was, zum Teufel, sucht Ihr in diesem Haus, Lord Kimball?«
»Ich arbeite hier als Sekretär«, gab er im friedfertigen Ton zurück. »Weshalb diese zornige Reaktion auf meinen
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