Feuer der Leidenschaft
wollte. Nicht, daß Frazier sie jemals unhöflich behandelt hätte, aber sie wußte, daß sie und ihre Arbeiten ihm herzlich gleichgültig waren.
Ein Gefühl, das sie, was seine Person und Werke anlangte, mit ihm teilte. Von den alten Freunden ihres Vaters war für sie nur George Hampton stets ein teilnahmsvoller und wohl-meinender Gesellschafter gewesen.
Kenneths Blick, mit dem er Lord Frazier zum Abschied nachsah, hatte etwas merkwürdig Abschätzendes. Als würde er nicht ganz schlau aus diesem Mann. Vermutlich hatte Frazier ein paar bombastische Bemerkungen über die Kunst gemacht, und Kenneth versuchte sich nun klar zu werden, ob etwas Wahres daran sei. Sie lächelte. Kenneth hatte mehr Kunstverstand in seinem kleinen Finger, als in dieser stets so imponierend wirkenden und wie aus dem Ei gepellten Erscheinung von Lord Frazier steckte.
Sie wollte gerade die Treppe hinuntersteigen, als sich unten die Eingangstür erneut öffnete und einen Schwall feuchter, kalter Luft ins Haus ließ. Vermutlich wieder ein paar Bekannte von den ihrem Vater gerade Modell sitzenden Leuten, die diesen Gesellschaft leisten wollten. Sie hielt also auf der Treppe wieder an, um Ken-neth Gelegenheit zu geben, die Neuankömmlinge ins Studio ihres Vaters zu geleiten.
In diesem Moment hörte sie eine glockenreine Altstimme begeistert »Kenneth!« rufen.
Eine Frau bewegte sich kurz darauf graziös durch Rebecca Seatons Blickfeld. Auf ihrem granatfarbenen Umhang glitzerten die Regentropfen wie Diamanten. »Was für eine Überraschung!« Sie warf sich nun an Ken-neths Brust und küßte ihn auf den Mund. Dabei glitt ihr die Kapuze vom Kopf und fiel ihr auf die Schultern.
Rebeccas Finger krampften sich nun so heftig um das Treppengeländer, daß die Knöchel weiß hervortraten. Diese Frau war das hübscheste weibliche Wesen, das ihr jemals im Leben vor die Augen gekommen war — eine atemberaubende brünette Schönheit mit einem geradezu märchenhaft ausdrucksvollen Gesicht.
Und Kenneth bemühte sich in diesem Fall auch gar nicht, diese Dame von ihrer Zudringlichkeit abzuhalten, wie er das bei Lavinia getan hatte. Ganz im Gegenteil. Nach einem schnellen, fast verstohlenen Blick durch die Halle, schlang er die Arme um die Frau und sagte ihr etwas leise ins Ohr.
Ihre Schönheit und Kenneths muskulöse, kraftvolle Gestalt würden sie zu perfekten Modellen für Venus und ihrem göttlichen Gemahl Vulkan machen. Rebecca hätte durchaus so ein Bild von den beiden malen mögen, wenn ihr Verlangen, diese Frau mit dem Stiel eines Pinsels zu erstechen, nicht noch größer gewesen wäre.
»Du hättest uns schreiben sollen, daß du in London bist, Kenneth«, rief die brünette Frau jetzt, trat einen Schritt von ihm zurück und lachte. »Oder sollte ich dich jetzt besser Lord Kimball nennen?«
Rebecca sank mit einem keuchenden Laut auf eine Treppenstufe hinunter und hielt sich an einem Gelän-derpfosten ein. Lord Kimball?
»Untersteh dich«, erwiderte Kenneth schalkhaft. »Wir kennen uns schon viel zu lange für solche Förmlichkeiten, Catherine.«
Ein distinguiert aussehender Gentleman kam nun hinter der Lady ins Blickfeld, der Kenneths Rechte in seine beiden Hände nahm. »Himmel, wielange ist es jetzt her, seit wir uns zuletzt gesehen haben?« sagte er mit einem breiten Lächeln.
»Fast zwei Jahre, denke ich.«
»Erinnere mich nicht daran, Michael.« Kenneth schlug dem anderen Mann mit der freien Hand auf die Schulter. »Bei unserer letzten Begegnung warst du noch so elend und krank, daß du meine Anwesenheit gar nicht bemerkt hast.«
»Wie du siehst, bin ich jetzt so gut wie neu.« Der Neuankömmling legte den Arm um die Taille der Frau. »Besser als neu, möchte ich sogar behaupten.«
»Wir sind gerade von der Taufe nach London zurückgekommen«, sagte Catherine. »Wir haben es sehr bedauert, daß du nicht kommen konntest - es war in Corn-wall fast so warm wie im Sommer. Aber das Bild, das du uns geschickt hast, war wundervoll. Es sah aus, als wärst du mit uns dort in der Kirche gewesen.«
Rebecca hörte benommen zu, wie die Leute unten in der Halle nun über eine Taufe sprachen. Zweifellos waren dieser Mann und diese Frau dort unten miteinander verheiratet, und die überaus herzliche Begrüßung dieser Lady hatte nicht einem Liebhaber, sondern offenbar einem guten alten Freund gegolten. Aber trotzdem
- Lord Kimball? Als Rebecca sich bewußt wurde, was das für sie bedeuten konnte, krampfte sich ihr der Magen zusammen. Sie spähte nun
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