Feuer der Leidenschaft
Abkunft? Kenneth bezweifelte, daß sein Arbeitgeber einen Mann absichtlich damit beleidigen würde, daß er auf dessen geringeren Stand anspielte. Aber er besaß eine natürliche Arroganz, die nicht jeder vertragen konnte. In der Hoffnung, Hampton noch mehr Informationen entlocken zu können, sagte Kenneth: »Man hätte Euch doch niemals an der Akademie studieren lassen, wenn Ihr kein Talent und nicht den nötigen Ehrgeiz gehabt hättet.«
Hampton breites Gesicht entspannte sich ein wenig, als er sich nun in nostalgische Erinnerungen erging: »Der Tag, als ich in der Akademie aufgenommen wurde, war der schönste meines Lebens. Ich hatte schon immer leidenschaftlich gern gezeichnet. Selbst mein Vater gab zu, daß ich das gut könnte. Ich kam mit großen Erwartungen nach London. Ich würde der größte Maler werden, den England je gekannt hatte—besser als Reynolds und Gainsborough zusammengenommen.« Er seufzte. »Tö-
richte Jugendträume.«
Hamptons Worte kamen Kenneth seltsam vertraut vor, denn als Junge hatte er nicht weniger ehrgeizige Träume gehabt. Selbst jetzt noch konnte er nicht davon lassen, sich insgeheim Hoffnungen zu machen, daß er eine natürliche überragende Begabung für die Ölmalerei habe.
Daß er Werke schaffen könnte, die unsterblich sein würden. Statt dessen konnte er nicht einmal ein Stilleben malen, das diesen Namen auch verdiente.
Sie gelangten ins Erdgeschoß und gingen an der Küche und dem Speiseraum der Dienstboten vorbei zur Rückseite des Hauses. Kenneth war die Tür dort schon früher aufgefallen, hatte sich dabei jedoch gedacht, daß sie zu einem ganz gewöhnlichen Lagerraum gehören würde. Als er nun den Schlüssel im Schloß drehte, sagte er: »Wenn Ihr vielleicht auch Eure frühesten Ziele nicht erreicht habt, so seid Ihr doch der beste Graveur Englands geworden. Das muß Euch doch eine große Genugtuung sein.«
»Ich bin nicht unglücklich darüber«, räumte Hampton ein,
»und verdiene auch recht gut damit. Aber es war ein bitterer Schlag für mich, als ich mit dem Studium an der Akademieschule begann und mich dort zum erstenmal unter Menschen befand, deren Begabungen meine übertrafen. Schon mit sechzehn war Anthonys Talent so groß, daß geringere Sterbliche den Mut verlieren mußten.
Als ich seine Arbeiten sah, wußte ich, daß ich ihm niemals ebenbürtig sein würde.«
»Und dennoch wurdet Ihr Freunde.«
»Wenn sich auch unsere Talente nicht gleichen, so gilt das doch für unsere Liebe zur Kunst«, erwiderte Hampton versonnen. »Und das trifft auch für Malcolm Fra-zier zu.
Hinter seiner kalten aristokratischen Arroganz verbirgt sich eine brennende Leidenschaft für die Kunst. Diese gemeinsame Leidenschaft hat uns trotz all unserer Differenzen und Verschiedenheiten mehr als dreißig Jahre lang in Freundschaft verbunden gehalten.«
Und diese auf einer gemeinsamen Leidenschaft beruhende Freundschaft hatte sogar Hamptons Affäre mit Heien Seaton nicht zerstören können. Kenneth wäre nicht so tolerant gewesen, wenn die fragliche Person seine Frau gewesen wäre. Er fragte sich, ob der Graveur wohl eine geheime Befriedigung darin gefunden hatte, daß er seinem erfolgreicheren Freund Hörner aufgesetzt hatte.
Eifersucht vermochte viele Formen anzunehmen.
Kenneth sah sich nun in dem Gewölbe um. Es war ein kühler und trockener Raum mit hohen, schmalen Fenstern, der mit offenbar eigens für die Aufbewahrung von Gemälden angefertigten Gestellen ausgefüllt war. Er zog das ihm am nächsten befindliche Gemälde aus dem Halterahmen. Es war ein zugleich reizendes wie beunruhigendes Bild von einer verführerisch aussehenden Wassernymphe, die einen eitlen jungen Mann in einem Tümpel im Wald in sein Verderben lockte. »Das kann nur aus Rebeccas und nicht aus Sir Anthonys Werkstatt stammen.«
Hampton blickte ihn mit milder Überraschung an. »Sie hat Euch ihre Werke gezeigt? Ein seltener Gunstbeweis von ihr. Ja, das ist eines von ihren Gemälden. Es stammt aus der Zeit, als sie von zu Hause durchbrannte, und ist kurz danach entstanden.« Ein amüsierter Funke zeigte sich in Hamptons Augen. »Der Bursche, der auf dem Bild ins Wasser gezogen wird, hat eine große Ähnlichkeit mit dem jungen Schwein, der sie verführte.«
Kenneth schob das Gemälde in das Gestell zurück, froh darüber, daß Rebecca ein Mittel gefunden hatte, sich für den ihr angetanen Schimpf auf eine bescheidene, aber ihr gemäße Weise zu rächen. »Hat das Chäteau-de-Hougoumont-Gemälde das
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