Feuer der Leidenschaft
Tasse ab. »Ihr seht heute ja ungemein aufgeräumt aus, meine Liebe. Ist das ein Zeichen dafür, daß Ihr mit Eurer Arbeit gut vorankommt?«
»Ja, aber das ist nicht der Grund, weshalb ich heute morgen so mild gestimmt bin. Kenneth hat beschlossen, daß ich öfter ausgehen sollte, und mich deshalb zu einem Dinner mit Freunden aus seiner Armeezeit mitgenommen.« Sie lächelte ironisch. »Obwohl er mich fast an den Haaren dorthin schleppen mußte, muß ich gestehen, daß ich einen recht angenehmen Abend verbracht habe.«
»Als ich Kenneth zum erstenmal sah, wußte ich gleich, daß das ein sehr vernünftiger junger Mann ist.« Lavinia bediente sich am Büfett mit einem weich gekochten Ei und Toast und nahm dann am Tisch Platz. »Ihr seid viel zu oft allein.«
Rebecca blickte sie groß an. »Ich bin überrascht, daß Ihr das bemerkt habt.«
»Natürlich habe ich das bemerkt — Ihr seid schließlich die Tochter von zweien meiner besten Freunde. Ich habe mir Euretwegen schon immer Sorgen gemacht und ganz besonders nach Helens Tod. Ihr habt hier ja so zurückgezogen gelebt wie ein Eremit.« Lavinia schlug die Spitze ihres Eis ab. »Es stand mir jedoch nicht zu, Euch daraufhin anzusprechen. Ihr hättet mir den Kopf heruntergerissen, wenn ich das getan hätte.«
Einer von den Lakaien kam in diesem Moment ins Zimmer und legte ein mit einem großen, kunstvollen Siegel versehenes Kuvert neben Rebeccas Teller.
»Oh!« sagte Rebecca, nachdem sie neugierig mit dem Messer das versiegelte Kuvert aufgeschnitten und das darin enthaltene Kärtchen gelesen hatte.
»Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte Lavinia und schaute von ihrem Ei auf.
Rebecca schluckte. »Doch, oder nein. Das ist eine Einladung zu einem Ball, den der Herzog und die Herzogin von Candover geben werden.«
Lavinias Brauen gingen in die Höhe. »Euer Gesellschaftsleben scheint ja in einem geradezu schwindeler-regendem Tempo zuzunehmen.«
»Das Ehepaar, mit dem wir gestern abend dinierten, ist mit den Candovers eng befreundet. Sie müssen dem Herzog schon in aller Herrgottsfrühe einen Brief geschrieben haben.«
Rebecca biß sich auf die Lippen, als sie noch einmal das Kärtchen las. Ein formloses Essen zu viert war eine Sache
- aber ein Ball, der in einem der elegantesten Häuser von London gegeben wurde?
Rebeccas Gesichtsausdruck richtig interpretierend, sagte Lavinia: »Aber, aber, nur keine Panik, meine Liebe. Ihr könntet Euch gar keine bessere Gelegenheit wünschen, der Welt vorgestellt zu werden. Die Candovers geben die herrlichsten Gesellschaften. Und sie laden niemals so viele Leute zu ihren Bällen ein, daß diese sich gegenseitig auf die Füße treten. Ihr werdet also viel Platz zum Tanzen haben.«
»Ich habe in den letzten neun Jahren kein einziges Mal getanzt. Ich weiß gar nicht mehr, wie das geht.« Da kam ihr eine willkommene Idee. »Auch trauere ich noch immer um meine Mutter. Ich werde dem Herzog also absagen müssen.«
»Unsinn«, erwiderte Lavinia mit energischer Stimme. »Es sind sechs Monate seither vergangen, und länger muß man um einen Elternteil nicht trauern. Auch bedeutet ein Ball nicht, daß Ihr dort unbedingt tanzen müßt.
Ich werde jedenfalls mindestens die Hälfte der Zeit mit Plaudern verbringen.«
»Ihr geht ebenfalls zu diesem Ball?«
»Ich habe noch nie eine von Rafes Einladungen abgelehnt.« Lavinia lächelte, sich an frühere Zeiten erinnernd.
»Ich kenne Rafe seit vielen Jahren. Er hatte schon immer eine Schwäche für etwas verrufene Damen. Ich fürchtete jedoch, nach seiner Verheiratung von der Gästeliste der Candovers gestrichen zu werden. Ich hätte natürlich wissen müssen, daß er kein prüdes Gänschen heiraten würde. Euch wird seine Frau Margot gefallen.«
Es wurde Rebecca jetzt zum ersten Mal bewußt, daß da eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihrer und Lavinias Situation bestand. »Es ist furchtbar unhöflich von mir, Euch danach zu fragen, aber wie ist es Euch gelungen, überall akzeptiert zu werden, wo Ihr doch in dem Rufe standet, eine …«, sie suchte nach einer taktvollen Bezeichnung …, »eine leichtlebige Dame zu sein?«
Lavinia lachte. »Ihr meint, wie ich es geschafft habe, mich aus einem ordinären Flittchen beim Theater in eine halbwegs respektable Lady zu verwandeln?«
Rebecca nickte verlegen.
»Zunächst sollte ich der Wahrheit halber sagen, daß ich keineswegs überall empfangen werde. Wenn ich zum Beispiel versuchen würde, mir bei Almack’s Zutritt zu verschaffen, würden sie
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