Feuer der Lust - Page, S: Feuer der Lust
Straßenräuber in der Nähe der viel befahrenen Straße nach Brighton niedergelassen, da die Mitglieder des Adels sich in den heißen Sommermonaten in diesen Badeort zurückzuziehen pflegten. Das Klima gefiel ihm, das Risiko war groß und stellte ihm Herausforderungen, die er genoss. Außerdem konnten seine Männer auf seine Anweisung hin von hier aus Grace beobachten, die in Brighton bei ihrer Schwester Venetia lebte.
Er hatte gehofft, Grace würde irgendwann diese Straße benutzen – vielleicht wenn sie nach London zurückkehrte.
Horatios Nahen in vollem Galopp betrachtete er als Zeichen, dass seine Hoffnung sich erfüllt hatte.
Reiste sie ohne weitere Begleitung in Gesellschaft ihrer Schwestern? Oder war einer deren mächtigen Ehemänner dabei?
Seine Männer hielten ihn für verrückt. Das war er wahrscheinlich auch.
Auf der anderen Seite der Tür produzierte Lucy ein lautes, theatralisches Luststöhnen. Ihm war klar, dass sie ihn damit quälen wollte. Sein Körper reagierte, indem das Blut in seinen immer noch steifen Schwanz schoss, aber er stellte sich sofort vor, wie er Grace dazu bringen würde, ebenso zu stöhnen.
Devlin ließ seine Faust gegen die verputzte Wand krachen, und das Laken rutschte ihm von der Hüfte. Zur Hölle, er hatte hier ein verdammt gutes Leben. Warum genügte ihm das plötzlich nicht mehr?
Meine liebste Enkelin …
Die elegante Handschrift ruckelte vor Grace’ Augen, als die Räder der Kutsche in eine Fahrrinne gerieten. Eine Welle der Übelkeit überkam sie, während sie weiter auf die Worte starrte und sich Halt suchend an die Kante ihres Sitzes klammerte.
Seit vielen Jahren wollte ich Dir schon schreiben, um Dir von mir zu erzählen, aber ich konnte nicht. Der Earl wollte davon nichts hören. Ich glaube, es ist dumm, sich einzig mithilfe von Zorn und Groll über Ereignisse der Vergangenheit hinwegzutrösten, es gibt aber auch Menschen, welche es für dumm halten zu verzeihen. Ist es nicht aber so, dass nur diejenigen, die stark sind, verzeihen können? Ich habe in den vergangenen Jahrzehnten gelernt, dass Wut zwar lichterloh brennen kann, aber nur kalten Trost spendet.
Inzwischen durchziehen Silberfäden mein Haar, und ich habe schon fast vergessen, wie es sich anfühlt, ein Kind in den Armen zu halten. Inzwischen sehne ich mich viel weniger nach der bitter schmeckenden Befriedigung, im Recht zu sein, als danach, die Augen einer jungen Frau vor Freude glänzen zu sehen, mein eigenes Lächeln in der glücklichen Miene eines Mädchens wiederzuerkennen.
Würdest Du mich besuchen, Grace? Ich möchte Dich kennenlernen, solange ich noch in der Lage dazu bin. Falls Du bereit bist, mir diese Freude zu machen, muss ich Dich allerdings vorwarnen, dass unsere Begegnung nicht hier in meinem Haus stattfinden kann. Ich möchte Dich an einem Ort treffen, an dem die Vergangenheit nicht gegenwärtig ist und wo die Zukunft uns umgibt. Es ist tragisch, dass eine Frau ihre Enkelin nicht in ihren eigenen Räumlichkeiten empfangen kann, aber das ist der Fluch meines Lebens, und ich habe schon vor langer Zeit gelernt, mich anzupassen und nicht zu kämpfen. Oberflächlich betrachtet, mag es so wirken, als würde ich nicht wagen, mich gegen den Earl aufzulehnen, aber Frauen besitzen verschiedene Mittel und Wege, das zu tun, und es ist viel angenehmer, Frieden zu halten.
Komm am 15. August zu mir. Lord Avermere hat mich in sein wunderschönes Haus auf der Isle of Wight eingeladen. Es liegt ganz in der Nähe von Cowes. Ich habe ihm von meinem Wunsch berichtet – und also bist auch Du willkommen und kannst mich dort treffen. Avermere ist so ein netter Mann und hat dem Plan höchst bereitwillig zugestimmt. Bitte komm, Grace! Ich habe Dich in London gesehen und in Dir die Frau erkannt, die ich einst war, und nun wünsche ich mir so sehr zu erfahren, was in Deinem Kopf und Deinem Herzen vorgeht, und zwar bevor es zu spät ist.
Deine Sophia Augusta, Countess of Warren
Instruktionen für die Reise folgen unten.
Mit ihren Fingerspitzen berührte Grace einen Tintenfleck auf dem Papier. Hatten die Tränen ihrer Großmutter die Tinte verlaufen lassen? Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Wangen, um ihre eigenen Tränen abzuwischen. Durch den Druck ihrer Daumen war der Briefbogen zerdrückt, und sie strich die kleinen Falten sorgfältig wieder glatt. Das hier war die Nachricht, nach der sie sich seit ihrer Kindheit gesehnt hatte.
Und dieser Brief war jede der Lügen wert, die sie benutzt hatte,
Weitere Kostenlose Bücher