Feuer der Lust - Page, S: Feuer der Lust
vergessen? Warum erinnerte sie sich immer wieder an diese furchtbare Erfahrung?
Und warum, zur Hölle, mussten Prudence und er ausgerechnet hier auftauchen? Schon ihr ganzes Leben hatte sie sich gewünscht, ihre Großmutter kennenzulernen. Was, wenn Prudence und Wesley mit Lady Warren sprachen und damit alle ihre Möglichkeiten zerstörten?
Den Tränen nahe, musste sie sich am Bettpfosten festhalten.
„Mit diesem Brief stimmt irgendetwas nicht …“
Devlins Worte holten sie zurück in die Gegenwart, und sie sah, dass er die Stirn runzelte.
„Wer weiß, dass du die Enkelin des Earl of Warren bist?“, erkundigte er sich.
„Was meinst du damit? Glaubst du, meine Großmutter hat den Brief gar nicht geschrieben? Das macht keinen Sinn. Kaum jemand außer meiner Familie weiß von meiner Verwandtschaft mit ihr. Marcus und Dash natürlich. Marcus’ Schwester, glaube ich, ebenso wie Dashs Schwester. Aber die gehören zur Familie.“
„Sonst noch jemand?“
„Nein. Warum sollte ich es irgendjemandem erzählen, nur um dafür verachtet zu werden?“ Ein heftiger, ziehender Schmerz zog ihren Magen zusammen. „Ich wollte es Prudence sagen, aber ich habe es nicht getan.“
„Warum wolltest du es ihr sagen?“ Dann begriff er und stöhnte auf. „Um ihr klarzumachen, dass du blaues Blut hast. Damit sie begreift, dass du mit ihr auf einer Stufe stehst.“
„Ich weiß nicht. Egal, ich habe nicht mit ihr darüber gesprochen. Ich wusste, dass es besser war, es nicht zu tun. Was genau ist es überhaupt, was dir an dem Brief nicht gefällt?“
„Ich kaufe einer blaublütigen Frau nicht ab, dass sie ihre Gefühle offenbart.“
Der kalte, harte Ton, in dem er diese Worte aussprach, ließ sie erschaudern. Offenbar war er sehr verletzt worden. Trotz der Eifersucht, die wie ein Kloß plötzlich in ihrer Kehle steckte, wollte sie ihn fragen, was geschehen war, aber das Bett knarrte, als Devlin sich darauf bewegte.
Liebevoll streckte er ihr die Hand entgegen. „Warum fällt es dir so schwer zu verstehen, dass du niemandem mehr etwas beweisen musst, Süße?“
Grace hasste es, wenn er ihr Ratschläge erteilte. Er war ein Mann. Er konnte tun, was immer er wollte. Vom Waschtisch aus stürmte sie neben das Bett. „Soll ich auch eine Pistole zur Hand nehmen und unschuldige Menschen ausrauben? Soll ich auf diese Weise meine Spuren auf dieser Welt hinterlassen? Ich kann mir den Luxus nicht leisten, wild und rebellisch zu sein.“
Er rollte sich auf die Seite, und sein Mantel breitete sich auf der Decke aus. „Du bist wild, Grace …“
„Das ist nichts, worauf man sonderlich stolz sein kann“, widersprach sie. „Du stehst dem Adel nur so kritisch gegenüber, weil sie auch dich niemals akzeptiert haben.“ Sie wartete, aber er fügte nichts hinzu – keine Erklärung dafür, warum er ganz besonders den blaublütigen Damen nicht traute. Verwirrt vom wilden Galopp ihres Herzens fauchte sie: „Und nun musst du wirklich mein Bett verlassen und zusehen, dass du in dein eigenes findest.“
„Ein geheimes Stelldichein gehört zu den Hauptbeschäftigungen der feinen Welt bei Hausgesellschaften.“ Devlin schwang seine Beine zur Seite und richtete sich auf, doch anstatt aufzustehen, nahm er seine Krawatte ab. „Ich tue nur das, was die Edlen tun, Liebste.“
„Und was genau meinst du gerade zu tun?“
„Ich ziehe mich aus.“
Devlin sah, wie Grace’ zartes Kinn herunterfiel, als er seine Jacke, die Weste, die Stiefel und die Hosen auszog. „Weißt du, ich bin froh, ein Bastard und kein ’Gentleman’ zu sein. Mir ist noch nie einer begegnet, der diese Bezeichnung verdient hätte.“ Fröhlich grinste er sie an. „Weißt du, was ich mit dem Geld mache, das ich stehle, Liebste?“
Sie presste ihre Lippen aufeinander, sodass ihr sinnlicher Mund zu einem spröden, schmalen Strich wurde. „Du finanzierst damit deinen Harem?“
„Ich helfe mit dem Geld einfachen Leuten, die von unserer Gesellschaft missachtet und ausgenutzt werden. Den gefallenen Frauen, die verstoßen wurden, verwaisten Säuglingen, Männern, die im Krieg verwundet wurden und nun vergessen sind.“
„Der Adel ist also grausam, und du bist Robin Hood.“ Aber ihre wachen, großen Augen verrieten sie, als sie ihren Blick über seinen Körper wandern ließ und seine Haut in Flammen setzte.
„Ich bin kein Heiliger. Ebenso wenig wie es irgendein Angehöriger der besseren Gesellschaft ist.“ Zur Hölle, sein Bauchgefühl sagte ihm, dass Grace in Gefahr
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