Feuer der Lust - Page, S: Feuer der Lust
der Entfernung war nichts Genaues zu erkennen.
Doch dann erschauderte Grace, während sie eine kleine Halbinsel umrundeten und in den Schatten des Kliffs eintauchten, wo der Weg zum Anlegeplatz von brennenden Lampen markiert war.
Als der Anker mit einem Platschen ins gekräuselte Wasser geworfen wurde, schlüpfte Devlin aus seinem Mantel und legte ihn ihr um die Schultern.
„Ist dir kalt?“
Das Seidenfutter seines Mantels war noch warm von seinem Körper, doch gegen ihre Nervosität half auch das nicht.
„Ich beginne zu zweifeln.“ Was dachte sie sich dabei, ihm die Wahrheit zu gestehen, ganz besonders nachdem er die ganze Zeit die Richtigkeit ihres Handelns infrage gestellt hatte? Tränen brannten in ihren Augen. Ihre Großmutter wollte sie sehen, und dieser Wunsch hatte ausgereicht, damit sie sich auf die Reise machte. Nun, da sie das Festland verlassen hatte und kurz davor war, eine abgelegene Insel zu betreten, fragte sie sich, was sie eigentlich tat.
Ihre Nerven drohten, mit ihr durchzugehen.
„Ich werde auf dich aufpassen“, erwiderte er schlicht.
Sie legte sich die Hand auf den Bauch. „Lass uns erst einmal dieses verdammte Schiff verlassen.“
„Die Countess of Warren“, wiederholte Grace. „Ich möchte sie wissen lassen, dass ich angekommen bin.“
Devlin lehnte in einer Ecke der Eingangshalle, eine unangezündete Zigarre zwischen Daumen und Zeigefinger. In seiner Nähe machten einige Diener viel Aufhebens um Lady Horton, die in allen Übelkeit erregenden Einzelheiten ihre Seekrankheit beschrieb. Er musste ein Lachen unterdrücken.
Der kahlköpfige Butler sah Grace mit ausdruckslosem Gesicht an. „Ich bitte um Verständnis, Miss“, begann er, als sei ihm nichts gleichgültiger als Grace’ Verständnis, „aber Ihre Ladyschaft wünscht, auf keinen Fall gestört zu werden. Von niemandem.“
Devlin sah, wie Grace’ Miene starr und ihre Wangen weiß wurden. „Ich verstehe nicht. Sie hat mich gebeten, sie hier zu treffen.“
Verdammt. Das hatte er vorausgesehen. Grace’ Großmutter war auch nur eine weitere launenhafte Hexe mit einem Adelstitel.
„Und ich befürchte, man hat mir nicht mitgeteilt, dass Sie zu der anwesenden Gesellschaft stoßen“, fügte der Diener in kaltem Ton hinzu. „Sie werden das gelbe Zimmer nehmen müssen. Es ist der bescheidenste Raum, und der einzige, der noch frei ist.“
Der bescheidenste Raum. Der hochnäsige Kerl hatte diese Worte besonders betont.
„Welches Zimmer bleibt denn dann noch für mich?“ Mit vor der Brust verschränkten Armen trat Devlin vor. Sein einschüchternder, finsterer Blick sorgte dafür, dass der Butler plötzlich doch noch in der Lage war, ein freies Zimmer für ihn aus dem Ärmel zu zaubern, bevor er sich eilig zurückzog.
Eilig verbarg Grace ihren Schmerz hinter einer höflichen Maske, aber er konnte ihn dennoch spüren. Devlin erkannte ihn an der zögernden Art, mit der sie den Arm ausstreckte, als wollte sie den forteilenden Diener noch etwas fragen. Aber sie hielt inne und wandte sich Devlin zu, wohl, weil sie seinen Blick gespürt hatte.
Ganz Gentleman, beugte er sich über ihre Hand. „Erlaube mir, dass ich dich zu deinem Zimmer begleite“, bat er.
„Das solltest du nicht tun.“
„Kein Türschloss der Welt kann mich aussperren.“
Aber seine Neckerei zauberte kein Lächeln auf ihr Gesicht. „Vielleicht ist sie krank“, tröstete er sie.
Es war auch möglich, dass die Countess den Brief abgeschickt und anschließend ihre Meinung geändert hatte. Er wusste, wie ein großer Teil der adligen Damen sich verhielt. Zur Hölle, er hatte genug von ihnen in seinem Bett gehabt. Ein wenig Klatsch oder die Möglichkeit, einen neuen Liebhaber zu gewinnen reichten aus, und sie vergaßen alles andere.
Nicht dass seine Mutter, die zum Landadel gehört hatte – sie war als Tochter eines glücklosen und ungeschickten Spielers aufgewachsen – anders gewesen wäre. Mit der Zeit hatte er sich daran gewöhnt, unter freiem Himmel zu schlafen, weil sie ihn häufig aus der kleinen Hütte ausgesperrt hatte. Selbst damals hatte ein Schloss ihn nicht aufhalten können – aber er hatte sowieso nicht im Haus sein wollen, wo er ihr Stöhnen hätte anhören müssen. Seine Mutter hatte für die Männer, die sie gevögelt hatten, immer gekreischt und gestöhnt, in der Hoffnung, sie würden so viel Spaß mit ihr haben, dass sie bei ihr blieben.
Doch sie waren niemals geblieben.
„Was, wenn sie mich überhaupt nicht sehen will?“,
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