Feuer der Nacht
gerechnet hätte. Sollte er einfach so davongehen, sie aufgeben, ohne überhaupt den Versuch zu unternehmen, mehr daraus entstehen zu lassen?
Verdammter Mist, nein. Er war hinter ihr her und würde es – wie seine Mutter ihm einmal attestiert hatte – auch schaffen, egal was kam. Er hatte einen Riesenberg Arbeit vor sich, wenn er sie überzeugen wollte, ihm eine Chance zu geben. Aber er schätzte Herausforderungen ja. Und vielleicht war der Berg dann doch nicht so hoch. Wenn
sie überhaupt kein Interesse an ihm hätte, würde sie ja wohl auch nicht derart seinetwegen ausrasten, oder?
Zutiefst zufrieden mit seiner Entscheidung goss er sich aus der Thermoskanne Kaffee in die Tasse, trank einen Schluck und klappte dann den Ordner auf. Er lehnte sich zurück und fing an zu lesen.
Im Fernsehen konnte jemand in ein Zimmer kommen und aussagekräftige Hautzellen verteilen, die ihn dann mit dem Verbrechen in Verbindung brachten; im wirklichen Leben hingegen war dies nicht so einfach. Auf der ersten Seite des Berichts hatte man in allen Einzelheiten das Spurenmaterial zusammengetragen, das am Tatort gesammelt worden war. Die Kriminaltechniker hatten zahlreiche Teppichfasern entdeckt, die an den Schuhen der Leute hängen geblieben und auf den Boden des Empfangssaals transferiert worden waren. Sie hatten auch Schmutz, Gras, nicht identifizierbare Fasern und Haare gefunden … jede Menge Haare, die reinste Scheißmenge Haare, und zwar von Tieren wie auch von Menschen. Offensichtlich hatten diese Personen ihre Bellos und Fifis in den Empfangssaal eingeschleppt, was ihn allerdings keineswegs wunderte. Mit Hunde- und Katzenhaaren musste man stets rechnen. Erst wenn die Haare von Geißböcken und anderem Getier stammten, kam ihm das mögliche Szenario irgendwie seltsam vor.
Die aufgesammelten grauen Haare stammten, dem Labor zufolge, von sieben unterschiedlichen Köpfen – erstaunlich wenigen eigentlich. Hunderte Leute gingen normalerweise in diesem Raum ein und aus, und auch wenn er zwischen den einzelnen Events saubergemacht wurde, war ein Haar hier oder da nichts, was einem Reinigungstrupp auffallen würde. An nicht einem einzigen Haar war noch das Follikel vorhanden, was bedeutete, dass ein DNA -Test entfiele, selbst wenn ihnen ein passendes Haar zum Vergleich vorläge.
Der Bericht bestand aus mehreren Seiten, doch nachdem Eric die erste gelesen hatte, blätterte er den Rest nur durch auf der Suche nach einem bestimmten Beweis – oder eben dem Mangel daran –, der ihn am meisten interessierte. Nach vier Seiten wurde er fündig.
Es ging um die Kleidung, die Jaclyn am Mittwoch getragen hatte: Man hatte kein Blut gefunden.
Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Eric glaubte nicht, dass seine Erleichterung größer gewesen wäre, wenn das Beweismaterial ihn selbst vom Mordverdacht freigesprochen hätte. Sobald Sergeant Garvey und Lieutenant Nellie kamen, würden sie das noch diskutieren, aber jedenfalls war Jaclyn damit so ziemlich von der Liste der Tatverdächtigen gestrichen, wie sie ja auch gedacht hatten. Er würde ihr die gute Nachricht übermitteln …
Puh. Moment mal.
Sie würde sich zwar darüber freuen, aber mit absoluter Sicherheit nicht mit ihm feiern, sondern ihm seine anfänglichen Zweifel wohl eher unter die Nase reiben. Er hatte keine Zweifel an ihrer Unschuld gehabt, aber das sähe sie sicher nicht so. Sie würde ihn mit einem Hab-ich-ja-gleich-gesagt rügen und ihn dazu wüst beschimpfen.
Davon abgesehen würde es sich schwieriger gestalten, Jaclyn zu sehen, wenn sie nicht mehr zu den Verdächtigen zählte. Sie würde nicht nett mitspielen – das hatte sie gestern Abend ja auch nicht, aber da hatte er sich so amüsiert, dass es ihn nicht gekümmert hatte. Sie konnte und würde ihm vermutlich auch das Leben zur Hölle machen. Er musste also einfach möglichst viele Fotos hervorzaubern, die er ihr dann vorlegen konnte.
Und dann würde sie ihm befehlen, sie in Ruhe zu lassen, und ihm bliebe keine andere Wahl, als ihrem Wunsch Folge zu leisten. Sie konnte sogar fordern, von jemand anderem verhört zu werden, falls sie bei den weiteren Ermittlungen noch gebraucht wurde; das hieße, dass Garvey von nun an für sie zuständig wäre oder vielleicht auch Franklin, sobald er aus dem Urlaub zurück war.
Nein. Das durfte nicht passieren.
Der Anflug eines Lächelns spielte um seinen Mund. Es bestand schließlich keine Notwendigkeit, ihr diese Information sofort mitzuteilen. Das konnte noch ein paar Tage warten, bis sie
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