Feuer der Nacht
Wutanfalltyp würde den ihren als halbherzig abtun, doch sie hatte er schier ausgezehrt. Sie war sofort nach dem Zubettgehen eingeschlafen. So richtig ausgeruht fühlte sie sich momentan zwar nicht, aber zumindest nicht völlig kaputt.
Sie hatten ihre Arbeit zur Hälfte geschafft. Heute war Freitag. Wenn sie heute und morgen ohne größere Katastrophen durchstanden, wäre der schlimmste Teil des Hochzeitsmarathons vorbei. Es stand am Sonntag noch eine große Hochzeit auf dem Programm, der reinste Großeinsatz, aber sie und Madelyn wollten sie gemeinsam abwickeln, und Peach und Diedra standen auch zur Verfügung, somit war also ausreichend Frauenpower vorhanden.
Wieder musste sie ohne Frühstück auf und davon hetzen. Vielleicht waren ja noch ein paar Schokokekse von gestern übrig, dachte sie auf dem Weg zur Arbeit. Sie brauchte mehr von dieser Schokolade. Ein Schokokeks und eine Tasse Kaffee dazu wäre perfekt.
Als sie ihr Auto auf den Parkplatz von Premier steuerte, traute sie ihren Augen nicht. Obwohl sie sehr früh dran war, waren alle bereits da – das war wirklich ungewöhnlich.
Diedra lief Jaclyn im Gang über den Weg. Sie hatte so einen positiven Glanz in den Augen. »Hast du’s schon erfahren?«, fragte sie aufgeregt.
»Was habe ich erfahren?«
Diedra senkte die Stimme, damit niemand im Büro mithören konnte, was eigentlich völlig unnötig war, denn schließlich waren ja nur sie vier da. »Wie Carrie ermordet wurde.«
Jaclyns Magen revoltierte. Wollte sie die Einzelheiten wirklich wissen? Tot war tot, und wie Carrie ums Leben gekommen war, schien ihr nicht so relevant zu sein. Aber da sie ja noch im Mittelpunkt der Ermittlungen stand, war sie dann doch neugierig. »Ich habe nichts erfahren. Was weißt du?«
»Sie wurde erstochen.«
Igitt. Jaclyn fand, dass ein Messer viel ekliger war als eine Pistole. Ein Messer bedeutete mehr Nähe, war irgendwie persönlicher. Kein Wunder, dass Eric ihre Klamotten auf Blutspuren untersucht hatte.
»Im wahrsten Sinn des Wortes: aufgespießt nämlich«, fuhr Diedra fort. »Mit den Kebabspießen, die auf dem Tisch lagen. Und nicht nur mit einem, sondern mit Unmengen. Melissa DeWitt hat die Leiche gefunden. Sie hat ihrer Freundin Sharon davon erzählt und sie schwören lassen, den Mund zu halten, weil sie eigentlich nichts verlauten lassen durfte, aber Sharon hat Gretchen davon erzählt, und Gretchen hat Bishop Delaney informiert, und du weißt ja: Was Bishop weiß, weiß jeder.«
Kebabspieße? Igittigitt! Da hatten zig Spieße herumgelegen, und plötzlich hatte sie das Bild vor Augen, wie Carrie dalag und die Kebabspieße überall aus ihrem Körper ragten – es war einfach ekelhaft.
Peach gesellte sich zu ihnen, eine Porzellantasse dampfenden Kaffees in der Hand. »Komisch, dass sie nicht sofort die Frau vom Catering verhört haben. Die Polizei wird doch sicher beim Erstellen der Verdächtigenliste die Tatwaffe berücksichtigen.«
»Das heißt, wenn ihr jemand den Zuckerguss in den Schlund gekippt hätte, dann würden sie schnurstracks die Konditorin aufsuchen«, sagte Diedra mit nachdenklichem Blick.
»Genau«, erwiderte Peach. »Und wenn ihr Intimbereich hundert Dornenstiche aufwiese, dann wäre der Florist dran.«
»Und wenn man sie mit weißem Satinstoff erstickt hätte, dann die Schneiderin.«
»Fleischklopse in beiden Nasenlöchern und im Mund ließen wiederum auf die Catering-Frau schließen. Ich glaube, die Catering-Frau kommt immer eher in Frage«, meinte Peach schließlich.
»Wie wäre es, wenn man unsere liebe Braut und den Bräutigam womöglich …«
»Ach, Schluss jetzt!«, sagte Jaclyn, musste aber trotzdem lachen. »Das ist doch schrecklich. Carrie war ja wohl … nun eben Carrie, aber jetzt ist sie tot.«
»Ich mag sie in diesem Zustand lieber«, erklärte Diedra, »ganz unter uns gesagt.«
»Und zig Selbstständige werden sie auch lieber so sehen«, meinte Peach mit einem Lächeln. »Vielleicht hatten sich ja die meisten gewünscht, dass jemand diese Tat beging, aber einer von ihnen hat es dann wohl wirklich getan.«
»Aber nicht mit Zuckerguss oder Dornenstichen, zum Glück.« Jaclyn ging ins Büro ihrer Mutter und versuchte, den Gedanken loszuwerden, dass jemand, den sie gut kannte und mit dem sie zusammenarbeitete, die Monsterbraut aufgespießt hatte. »Ihr kennt doch alle das Sprichwort, dass man von Toten nicht schlecht sprechen soll«, rief sie ihnen noch zu.
Diedra antwortete rasch. »Es gibt aber auch das Sprichwort, dass
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