Feuer der Nacht
Junior hätte aussehen müssen. Jaclyn war kein Fan von Autorennen, aber zumindest wusste sie, wer Dale Junior war, und sie war sich relativ sicher, dass er kein knallblaues Auto fuhr. Aber offensichtlich waren ja diese Aufkleber wichtig.
Jaclyn überzeugte die Brautmutter auch, dass es nicht sonderlich passend war, den Schuppen, in dem die Hochzeit morgen stattfinden sollte, mit einer mehrfarbigen Weihnachtslichterkette zu schmücken (»Aber die blinken doch so nett!«). Sie arrangierte die Musik zum Teil um, sodass die Braut nun zumindest zu den Klängen des Hochzeitsmarsches zum Altar schreiten würde anstatt zu Willie Nelson oder Brad Paisley. Willie und Brad könnten noch ihre Aufwartung machen, bloß nicht wenn die Braut gerade zu ihrem größten Glück unterwegs war. Morgen würden auch echte Blumen verwendet, nicht die Plastikblumen, die die Braut ursprünglich hatte benutzen wollen, weil sie – wie sie gesagt hatte – nie verwelkten und sich in ihrem neuen Heim wiederverwenden ließen. Entweder dort oder bei den Blumenarrangements am Gedenktag Ende Mai auf dem Friedhof, wo ihr Vater begraben lag. Die Blumen waren nicht einmal aus schöner Seide gewesen, sondern wirklich aus Plastik, und wiesen noch dazu alle Regenbogenfarben auf – kaum eine hätte sich als Zierde des Wohnzimmers geeignet.
Wenn sie nicht so schockiert gewesen wäre, dachte Jaclyn mit einem Anflug von Hysterie, dann wäre ihr sicherlich aufgefallen, wie hervorragend die Plastikblumen zu den blinkenden Weihnachtslichtern gepasst hätten. Ihr gefielen sie sogar sehr … aber an Weihnachten eben. Und Plastikblumen konnte sie grundsätzlich nicht leiden.
Zum Glück gab es für die Hochzeitsprobe im Schuppen zu so später Stunde am Nachmittag keine spezielle Beleuchtung; die Probe und der Empfang wurden in einem Restaurant mit Bar abgehalten, das dem »Geistlichen« gehörte. Leider handelte es sich bei dem Lokal um Porky’s BBQ , überall waren Schilder angebracht, die das Essen anpriesen. Am auffälligsten war die stolze Behauptung: DAS FEINSTE FLEISCH DER GANZEN STADT. An zweiter Stelle kam: HIER DER FLEISCHESLUST FRÖNEN .
Sie wusste nicht recht, ob der Geistliche auch wirklich einer war, doch das war zu diesem Zeitpunkt jetzt ihre geringste Sorge. Für den Bräutigam wäre es sogar ein Segen, wenn die Ehe nicht gültig wäre, und so hielt sie den Mund, was den Geistlichen anging.
Ein Altar war unter der Neonreklame für Budweiser zusammengeschustert worden; sie leuchtete grell, bis Jaclyn darauf bestand, dass sie abgeschaltet wurde. Wenn ihr eine Möglichkeit eingefallen wäre, sie entfernen zu lassen, hätte sie das getan, aber wie die Schilder mit der Werbung fürs Fleisch war auch dieses Schild an der rustikalen Holzvertäfelung befestigt. Bunte Plastikblumen – mit ziemlicher Sicherheit die Exemplare, die Jaclyn von der Hochzeit verbannt hatte – schmückten nun die Tische unter dem mittlerweile erloschenen Neonschild. Die Blumen harmonierten farblich nicht mit den rot-weißen Karotischdecken. Einige der Tische waren rund, einige viereckig, die Tischdecken jedoch waren allesamt viereckig.
Die Tischdecken, Plastik hin oder her, waren gar nicht so schlimm. Es lag an dem Motto, an dem sie hätte arbeiten können – mit entsprechend Zeit, Geld und vor allem der Erlaubnis. Weiße Gänseblümchen, rot-weiße Teller und Gläser, und das elegante Picknick-Motiv wären perfekt gewesen. Stattdessen konnte sie jetzt bestenfalls noch eine Katastrophe abwenden.
Doch leider hielt sie dies für fast unmöglich.
Die Mutter des Bräutigams, eine Witwe mittleren Alters, war sehr blass, jedoch redlich um ein Lächeln bemüht. Es war ein unentschlossenes, unsicheres Lächeln, und Jaclyn war sich relativ sicher, dass die arme Frau die Zähne zusammenbiss. Ihr Mitgefühl hatte sie jedenfalls. Selten hatte sie in einem Raum so viele Typen mit Vokuhila-Frisur – vorne kurz und hinten lang – auf einmal gesehen. Der Dresscode bei diesem Event war superleger. Nur Jaclyn, die Mutter des Bräutigams und seine Schwestern waren angemessen gekleidet, und das hieß im Grunde, dass sie keine Jeans und T-Shirts mit aufgedrucktem Spruch trugen. Und der Geistliche – sie war sich ziemlich sicher, dass er sich den Titel im Internet organisiert hatte –, nun, da konnte sie nur hoffen, dass er sich morgen ein bisschen aufmöbeln und vielleicht wenigstens eine Krawatte umbinden würde. Der große Mann mit mächtigem Schnauzbart hatte sich ein rotes Tuch um
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