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Feuer der Nacht

Feuer der Nacht

Titel: Feuer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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die Tat als Totschlag und nicht als Mord oder Kapitalverbrechen gewertet. Die Wahl der Mordwaffe – die Kebabspieße – ließ auf fehlenden Vorsatz schließen. Wer auch immer Carrie getötet hatte, war nicht in der Absicht gekommen, sie umzubringen, denn wer könnte schon damit rechnen, ausgerechnet Kebabspieße zur Hand zu haben?
    Jeder der Selbstständigen, die anwesend waren, plus Jaclyn, plus Melissa DeWitt. Sie alle hatten gewusst, dass diese Spieße herumlagen. Andererseits müsste jemand mit der Rechtsprechung vertraut sein, um ein Verbrechen wie Totschlag aussehen zu lassen, wenn es sich in Wirklichkeit um Mord handelte – und im Allgemeinen dachte ein Mörder nicht daran, das Ausmaß des Verbrechens zu verringern, dessen er angeklagt würde, sondern er ginge davon aus, ungestraft davonzukommen. Punktum. Nein, Carrie Edwards war im Affekt getötet worden – mit einer Waffe, die gerade zur Hand war –, in diesem Fall eben besagte Kebabspieße. Ein tüchtiger Anwalt würde glaubwürdig versichern, dass Kebabspieße gemeinhin nicht als Mordwaffen galten, dass es ein unglücklicher Unfall war, dass sich einer der Spieße zwischen Carries Rippen in ihr Herz gebohrt hatte.
    Man hatte mehrfach auf Carrie eingestochen, mit zahlreichen Spießen – als hätte der Mörder einfach die Spieße gepackt und drauflosgestochen. Blieb einer stecken oder fiel herunter, war schon der nächste zur Hand. Das wiederum ließ auf eine höllische Wut schließen. Die junge Frau war nicht kaltblütig ermordet worden oder mit Bedacht. Und anschließend hatte man ihr den Brautschleier übers Gesicht drapiert, ein klarer Hinweis, dass der Täter beziehungsweise die Täterin nicht sehen wollte, was er oder sie angerichtet hatte.
    Das war nicht der Mord eines Fremden. Carrie hatte ihren Angreifer gekannt.
    Die Winkel der Kebabspieße könnten ihnen etwas über die Größe des Täters sagen. Carrie war – er schaute in seinen Notizen nach – eins zweiundsechzig groß gewesen. Sie hatte Schuhe mit sieben Zentimeter hohen Absätzen getragen, sodass sie es auf eins neunundsechzig brachte. Er hatte jeden einzelnen Spieß in Augenschein genommen, sie hatten alle in unterschiedlichen Winkeln in ihr gesteckt. Aber natürlich hätten sie nicht reglos dagestanden, während jemand sie aufspießte – okay, schlechter Scherz, selbst wenn er ihm bloß durch den Kopf spukte. Sie hätte sich gewehrt, hätte versucht auszureißen, hätte vielleicht auch mit ihrem Angreifer gerungen. Das ergäbe einen Stich – verdammt, er kam von dem Wort nicht weg. Es war so übel wie die Büroarbeit, es klebte an ihm wie Kaugummi an der Schuhsohle.
    »Wenn Sie eh fast einschlafen, Wilder, warum gehen Sie dann nicht nach Hause?«
    Das war Garveys Stimme. Ohne die Augen zu öffnen erwiderte Eric: »Stören Sie mich nicht bei meinen Ermittlungen.«
    »Ach, so nennt man das jetzt?«
    Er spürte, wie Garvey sich auf die Kante seines Schreibtischs setzte, und stieß einen Seufzer aus, als er nachgab und die Augen öffnete; er sah dem Sergeant in das etwas verlebte, angeschlagene Gesicht. »Weshalb sind Sie noch hier?«
    Garvey lächelte ihn dünn an. »Wie Sie: Auch ich ermittle in dem Fall. Es fühlt sich gut an, wirklich an einem Fall zu arbeiten, anstatt stapelweise Aktenkram zu erledigen, euch Jungs herumzudirigieren und einzugreifen, wenn einer was verbockt.«
    Das konnte Eric verstehen. Er hatte zwar den Ehrgeiz, es in der Hierarchie der hiesigen Polizei möglichst weit zu bringen, aber ihm war klar, dass ihm irgendwann die konkrete Arbeit am Fall fehlen würde. Ginge er zum Bundesstaat oder Staat, was er nicht ausschloss, könnte er weiterhin an den Ermittlungen teilnehmen. Aber das war Zukunftsmusik. Momentan war der Edwards-Mord angesagt. »Und, was ermitteln Sie?«
    »Ich stelle mir die Penetrationswinkel bildlich vor«, setzte Garvey an.
    Erich stieß einen Grunzlaut aus. »Heiliger Himmel, denken Sie nicht an Sex, sondern an den Fall.«
    »Klugscheißer«, schimpfte Garvey, bevor er anerkennend lächelte.
    Eric nahm die Beine vom Schreibtisch und setzte sich auf. »Komisch, genau das habe ich auch gedacht«, gab er zu. »Soweit ich sehen konnte, waren Winkel in allen Richtungen vorhanden: von links, von rechts, nach oben und nach unten geneigt. Einige Spieße hingen aus eher oberflächlichen Wunden heraus. Sie muss gekämpft haben, sie muss versucht haben zu fliehen. Vielleicht ist sie ja gestürzt, und der Täter hat dann mit dem Spieß zugestochen – der

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