Feuer der Nacht
langer Tag gewesen, sondern er hatte letzte Nacht auch nicht viel Schlaf abbekommen. Der Grund, weshalb er nicht viel geschlafen hatte, war ja prima gewesen, aber übernächtigt war nun mal übernächtigt. Er musste mit einer Tonne Beweismaterial und Papierkram zurande kommen, bevor er nach Hause gehen konnte, und so hegte er starke Zweifel, dass er in den nächsten paar Stunden sein Bett sehen würde.
Die Familie des Opfers hatte man mittlerweile informiert. Das war immer der schlimmste Teil. In diesem Fall – weil der Vater des Bräutigams Senator von Georgia war – hatten er und Garvey gleich zwei so schwierige Besuche zu absolvieren gehabt. Die Eltern des Opfers waren am Boden zerstört. Sie waren nicht in eine Flut von Tränen ausgebrochen und hatten auch nicht Unmengen Fragen gestellt, sie hatten vielmehr ausgesehen, als hätte man sie zermalmt, ihnen den Sinn des Lebens geraubt.
Der Verlobte, Sean Dennison, war fast in Schockstarre verfallen. »Aber ich habe doch mit ihr geredet«, sagte er immer wieder. »Sie kann es doch gar nicht sein.«
Sie wussten bereits, dass er das Opfer angerufen hatte, denn sie hatten die Anrufliste von Jaclyns Handy überprüft. Er sei bei der Arbeit gewesen, als er sie angerufen hatte, gab er an, was sich am Morgen ja unschwer verifizieren ließe. Wenn dies eine Lüge war, dann jedenfalls eine dumme. Nicht dass Eric Blödsinn nicht berücksichtigen würde; er hatte jeden Tag mit Blödsinn zu tun. Kriminelle waren im Großen und Ganzen nicht gerade Leuchten.
Eric war vor dem Verhör Jaclyns schon einmal zur Beweismittelaufnahme ins Präsidium gefahren, und jetzt musste er sich mit ihrer nassen Kleidung beschäftigen. Ihm lagen die von ihr unterschriebenen Einwilligungserklärungen vor, er musste Berichte schreiben – verdammt, war es da verwunderlich, dass er dem Räuber eine Dose Öl an den Kopf geworfen hatte, anstatt auf ihn zu schießen? Wenn er heute Morgen abgefeuert hätte, würde er noch immer irgendwelchen Papierkram ausfüllen. Stattdessen hatte er die Freiheit, an diesem Fall zu arbeiten … und Papierkram zu erledigen. Es gab kein Entrinnen vor der Bürokratie.
Er nahm also sorgfältig die Beweismittel auf und machte sie für die Analyse fertig, doch im Fall von Jaclyns Kleidung war er sich ziemlich sicher, dass sie ihre Schuld nicht nachweisen würden, sondern sie eher als Verdächtige ausscheiden lassen würden. Wie Garvey gesagt hatte, hatte sie nicht das Zeug dazu, sein innerer Alarm sprang nicht an. Sie konnten ihr Bauchgefühl vor Gericht natürlich nicht als Beweis vorbringen, und bis Jaclyn völlig außer Verdacht war, musste er extrem vorsichtig mit allem sein, was ihre Person betraf. Es musste nicht nur jedes i einen i-Punkt aufweisen, er musste sie auch genauer und sorgfältiger überprüfen, als dies normalerweise erforderlich gewesen wäre, um jeglichen Anschein von bevorzugter Behandlung zu vermeiden.
Er konnte sie nicht einmal anrufen und sagen: »He, ich glaube nicht, dass du es warst, aber ich muss diese Sache vorschriftsmäßig durchziehen und dich wie jede andere Verdächtige auch behandeln.« Schon das ginge zu weit.
Es war ihm nicht recht, aber so musste es nun einmal sein. Kein persönliches Wort, kein vertrauliches Du. Sobald der Fall abgeschlossen war, würde er sein Glück noch einmal bei ihr versuchen. Vielleicht gehörte sie ja nicht zu der Sorte Frau, die ewig schmollte. Vielleicht ließ sie die Vernunft walten und machte kein Drama aus allem. Sie kam ihm nicht wie so eine theatralische Zicke vor; sie war recht cool und kontrolliert. Das gab ihm Hoffnung. Und das gab ihm auch den Elan, dieses Durcheinander möglichst schnell in Ordnung zu bringen.
Aus reiner Neugier machte er eine Internetrecherche zum Thema Kebabspieße. Es gab Bambusspieße, Edelstahlspieße, verzierte Spieße und Haushaltsspieße. Die Dinger mussten was für Frauen sein, denn kein Mann mit Sinn und Verstand würde sich je darum scheren, Fleischstücke und Gemüse ausgerechnet an so einem Spieß zu garen. Nun gut, ein Küchenchef vielleicht schon, aber er fand diese Spieße jedenfalls ziemlich doof.
Er schob den Bericht, an dem er gerade schrieb, beiseite, lehnte sich in seinen Stuhl zurück und legte die Beine auf den Tisch. Die Finger im Nacken verschränkt, entspannte er seine Schultermuskulatur, während er die Augen schloss und mental alles verarbeitete, was er heute gesehen und gehört hatte, um eine gewisse Ordnung hineinzubekommen.
Zuerst einmal würde
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