Feuer der Nacht
Cornflakes direkt aus der Schachtel in den Mund, aber sie schmeckten wie Sägespäne, und sie verzog das Gesicht, während sie die Schachtel wieder in den Küchenschrank stellte. Vielleicht würde sie sich heute Morgen ja mit Kaffee begnügen. Ihr Magen war zu nervös, um etwas zu essen – ihr gesamtes Nervenkostüm vibrierte.
Das Telefon läutete, als sie gerade dabei war, sich anzuziehen, und sie machte einen Satz, um abzunehmen, ohne zuvor die Identität des Anrufers zu prüfen.
»Morgen, mein Liebes«, tönte Jackys fröhliche Stimme.
Zwei Anrufe in nicht einmal zwölf Stunden? Er musste seine neue Flamme wahrhaftig beeindrucken wollen, wenn er sich so dringend ihren Jaguar ausborgen wollte. Manchmal verstrichen Monate, ohne dass sie etwas von ihm hörte. Sie versuchte dann, ihn anzurufen, aber sämtliche Anrufe landeten in der Voicemail, die ihr mitteilte, dass die Mailbox voll sei und sie nicht einmal eine Nachricht hinterlassen könne. Das war sein bevorzugter Trick, Anrufe abzuwimmeln, die er nicht annehmen
wollte.
»Nein, du kannst mein Auto nicht benutzen«, sagte sie. »Und geh mich deswegen jetzt nicht weiter an, weil ich heute damit nämlich nicht zurechtkomme.«
»Aber es ist nur ein kleiner Gefallen«, fing er an, sie zu beschwatzen, doch dann musste etwas in ihrer Stimme sein einziges, seit langem schlummerndes Vatergen geweckt haben, denn er hielt inne und fragte: »Stimmt was nicht?«
Jaclyn atmete tief ein. Es machte keinen Sinn, ihm nichts davon zu sagen, außerdem wollte sie sich wirklich fertig anziehen und ins Büro gehen. »Die Polizei hat mich gestern Abend verhört, nachdem ich mit dir telefoniert hatte«, platzte sie heraus, offensichtlich doch so verzweifelt um Unterstützung bemüht, dass sie sich sogar an Jacky wandte. »Sie verdächtigen mich, eine meiner Kundinnen umgebracht zu haben.«
»Wie blöd sind die eigentlich?«, kam es sofort. »Natürlich warst du es nicht!«
Dieser prompte, bedingungslose Glaube an sie ließ ihr die Tränen in die Augen steigen. »Sie sind sich da nicht so sicher. Danke, dass du nicht an mir zweifelst.«
»Nicht eine Sekunde! Nun, wenn sie mich verdächtigen würden …« Er hielt inne, als würde ihm klar, dass er dabei war, etwas auszuplaudern, das besser ungesagt bliebe. Dann nahm er das Gespräch nahtlos wieder auf. »Also, wer ist über den Jordan? Jemand, den ich kenne?«
»Sie heißt – hieß – Carrie Edwards.«
»So heißt sie ja wohl noch immer, tot hin oder her, nicht wahr?«
»Wohl schon … Ich meine, sicher heißt sie noch so, aber sie war einmal und ist nicht mehr.« Welch ein seltsames Gespräch am frühen Morgen.
»Carrie Edwards, Carrie Edwards«, sinnierte Jacky. »Ich weiß nicht … Moment mal. Der Senator, der jetzt für den Kongress kandidiert, Dennison … Die Verlobte seines Sohnes wurde getötet. War sie deine Klientin?«
»Ja. Bis gestern Nachmittag jedenfalls. Sie hat mich gefeuert, bevor sie ermordet wurde.«
Jacky war einen Moment still, dann sagte er: »Ach je.«
»Es war ein blöder Zufall.«
»Mach dir deswegen mal keine Sorgen«, meinte er unbekümmert. »Die Bullen kriegen das schon geregelt.«
Mach dir deswegen mal keine Sorgen. Da war sie wieder, die Lebensphilosophie von Jacky Wilde, die er auf jede Situation anwandte, egal wie übel sie auch sein mochte. »Na hoffentlich. Unterdessen mache ich mir allerdings schon Sorgen.« Sie warf einen Blick auf die Uhr; sie konnte nicht länger telefonieren, sonst würde sie zu spät kommen – oder zumindest später eintreffen als geplant. Die eigene Chefin zu sein war toll, aber in einer kleinen Firma wie Premier bedeutete das auch, dass sie und Madelyn viele Überstunden machen mussten, damit das Geschäft florierte. »Tut mir leid, ich muss los. Wir haben diese Woche einen engen Terminplan und …«
»Moment! Moment! Bevor du auflegst: Hast du dir das mit dem Jaguar noch einmal durch den Kopf gehen lassen?«
Jaclyn hielt den Hörer vom Ohr weg und starrte ihn ein paar Sekunden lang ungläubig an. Erst als sie hörte, wie er »Hallo? Hallo? « sagte, presste sie ihn sich wieder ans Ohr.
»Nein«, erwiderte sie bestimmt. »Ich habe es mir absolut nicht durch den Kopf gehen lassen. Ich war eher auf die Tatsache konzentriert, dass man mich wegen Mordes verhaften könnte, als darauf, dass du einen imposanten fahrbaren Untersatz brauchst, um dein neuestes Flittchen zu beeindrucken.«
»He, kein Grund, so respektlos daherzureden, junge Dame! Lola ist kein
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