Feuer der Rache
noch am Leib trägt. Zum Glück haben die Passanten, die ihr auf der Straße begegnet sind, nichts bemerkt. Wenigstens hat sie daran gedacht, ihre Windjacke in den Büschen zu suchen und sie über ihr zerfetztes Oberteil zu ziehen, nachdem die fünf Jungen von ihr abgelassen haben, um sich auf den Heimweg zu machen. Die Jacke ist so lang, dass sie bis über die nackten Oberschenkel hängt.
Iris rollt die Sachen zu einem Bündel zusammen und steckt sie in eine leere Plastiktüte. Sie wird sie wegwerfen, heimlich.
Wie sollte sie sonst den Fragen der Mutter begegnen, die sie beim Anblick dieser Fetzen, die vor ein paar Stunden noch Kleider waren, stellen würde? Allein der Gedanke an ihren anklagenden Blick lässt sie würgen.
Sie dreht das Wasser auf und steigt in die Dusche. Es ist heiß, so heiß, dass es auf der Haut brennt. Auf der unversehrten Haut. Die Schürfwunden an Po und Schenkel tun so weh, dass es ihr Tränen in die Augen treibt, von dem ungeheuren Schmerz an ihren Schamlippen und in ihrem Unterleib gar nicht zu reden. Sie unterdrückt das Stöhnen und greift nach der Seife. Zehnmal seift sie sich ein und spült ihren schmutzigen Körper ab, aber das Gefühl bleibt. Sie putzt sich die Zähne, immer wieder, bis das Zahnfleisch wund ist und zu bluten beginnt, doch der Geschmack hat sich in ihr eingegraben. Sie versucht es mit Seife, würgt und spuckt. Ihr ist schlecht. Ihr Magen krampft sich in schmerzhaften Wellen zusammen. Es ist gut, dass alles rauskommt, all der Schmutz in ihr. Warum fühlt sie sich nicht besser? Kann man diesen Dreck nicht abwaschen? Bleibt er für immer haften?
Während das dampfend heiße Wasser weiter auf sie herabprasselt, überlegt Iris, wie sie die Schürfwunden verbergen kann, bis sie abgeheilt sind, und was sie sagen soll, wenn ihre Hose oder die Turnschuhe von der Mutter vermisst werden. Kann sie mit Maike darüber sprechen? Wird sie ihr glauben?
„Sag mal, bist du unter der Dusche eingeschlafen?" Eine Faust hämmert gegen die Badezimmertür. „Ich versuche zu schlafen! Ich habe Kopfschmerzen!"
„Entschuldige", piepst Iris und dreht das Wasser ab. „Ich wollte dich nicht stören." Nein, sie kann Maike damit nicht belästigen. Es ist zu ungeheuerlich.
Sie wartet, bis sich die Schritte entfernt haben und die Tür zu Maikes Zimmer zuschlägt. Schnell trocknet sie sich ab, wickelt sich ein großes Badetuch um den Körper, nimmt die Tüte mit den Kleidern und huscht in ihr Zimmer.
Sie kann nicht einschlafen. Auch die folgende Nacht nicht und viele weitere. Erst wenn der Körper zu erschöpft ist, fällt sie für ein paar Stunden in albtraumgeplagten Schlaf, aber Ruhe findet sie nicht. Oft ist sie tagsüber so müde, dass sie nur vor sich hinstarrt, ohne mitzubekommen, was um sie herum vor sich geht. Wenn ihre Freundinnen sie ansehen und fragen, was los ist, ringt sie sich ein Lächeln ab, aber sie schweigt. Sie hat keinen Appetit mehr, und auch sonst gibt es nichts, worauf sie Lust verspürt. Nur der Drang zu duschen wird immer stärker, bis ihre Mutter es bemerkt und ihr eine Eieruhr ins Bad stellt.
„Einmal am Tag fünf Minuten, das reicht! Du machst dir deine ganze Haut kaputt, und wir bekommen das Wasser nicht geschenkt!"
Iris versucht, sich daran zu halten. Wenn es ganz schlimm wird, fährt sie nachmittags ins Schwimmbad und stellt sich eine Stunde unter das heiße Wasser. Aber sauber fühlt sie sich nie wieder.
Sabine fand keine Ruhe. Sie schlief schlecht in dieser Nacht und stand sehr früh auf. Sie rief Michael im Präsidium an, doch der war recht wortkarg und beendete das Gespräch bald. Hatte er zu viel zu tun, oder war er noch eifersüchtig wegen Peter?
Dazu hat er auch allen Grund, meldete sich eine Stimme in ihr. Quatsch, ich habe ihm nie etwas versprochen! Wir waren ja nicht einmal miteinander im Bett.
Aber du hast auf jeden Fall bemerkt, dass er sich in dich verliebt hat.
Das ist nicht meine Schuld. Er hat doch dauernd darauf gedrängt, mit mir essen zu gehen, oder etwa nicht?
Sie beendete den inneren Streit, indem sie seinen Mangel an Begeisterung auf die viele Arbeit schob und auf den Druck, den Tieze auf die Gruppe ausübte. Das Ermittlerteam hatte noch einmal ein paar Mann Verstärkung bekommen. Nun mussten sie endlich mit Ergebnissen aufwarten, bevor -noch ein Mord passierte?
Da war die Unruhe wieder, die sie umtrieb. Sie hielt es in ihrer Wohnung nicht aus. Sabine fuhr nach Blankenese, ging im Baurs Park auf und ab und drehte dann eine
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