Feuer des Schicksals: Fantasy Roman (German Edition)
dem sie dieses merkwürdige Etwas entdeckt hatte, kurze Zeit später gestorben. Das erste Mal war es ihr richtig bewusst geworden, als sie als fünfjährige mit ihrer Mutter einen Rummel besucht hatte. Eine hagere Frau war an ihnen vorbeigegangen und Savannah zeigte ihrer Mutter, dass sie Schatten an der Frau sehen konnte. Sophie nahm sie zur Seite und kniete sich vor sie hin. Sie erinnerte sich noch, wie ihre Mutter ihr sanft über das Gesicht gefahren war. Instinktiv spürte sie, dass Sophie ihr jetzt etwas Wichtiges sagen würde.
„Schätzchen, auch wenn du diese Schatten siehst, musst du darauf achten, dass niemand etwas davon mitbekommt.“ Sie hatte verständnislos ihren Kopf geschüttelt.
„Was bedeuten die Schatten?“, fragte sie leise. Auch wenn sie Angst vor der Antwort hatte, so wollte sie es doch wissen. Ihre Mutter schaute sie traurig an. Erst dachte Savannah, sie würde ihr nicht antworten, doch dann hatte Sophie ihr die Wahrheit gesagt.
„Kannst du dich noch an unseren Nachbarn Mr. Eldridge erinnern?“ Savannah nickte. Der Mann hatte sie immer so böse angesehen. Sie hatte ihn nie gemocht. Andere lächelten sie zumindest an.
„Du hast Schatten bei ihm gesehen und einige Tage später ist er gestorben.“ Savannah wusste, was verstorben bedeutete. Die Menschen waren dann einfach weg und sie kamen nicht wieder. Schweigend sah sie noch einmal zu der hageren Frau, an deren Gestalt ein ziemlich dunkler Schatten klebte. Es kam darauf an, wie dunkel die Schatten waren. Je dunkler, desto schneller verstarben sie.
Wieder zurück in der Gegenwart, schaute Savannah sich die Frau vor der Klasse etwas genauer an. In ihren Haaren waren nur vereinzelt graue Strähnen zu sehen. Eine große Brille saß auf einer Hakennase. Immer wieder wurde sie durch einen Finger nach oben geschoben, da sie anscheinend zu schwer war und immer wieder nach unten rutschte. Draußen blitzte und donnerte es, und das Schattenwesen zog sich bei der plötzlichen Helligkeit ein wenig zurück.
Fast hätte sie das Vibrieren ihres Handys nicht gehört. In ihrem Magen bildete sich ein schwerer Klumpen, als sie es schnell und geräuschlos aus ihrer Tasche holte. Als sie auf das Display schaute, sah sie, dass ihre Mutter ihr eine Nachricht geschrieben hatte. Und das war schon sehr merkwürdig. Auf dem Display erschien die Nachricht:
Schatz
k
omm bitte schnell nach Hause.
Liebe dich, Mom
.
Savannah schnappte sich ihre Tasche und verließ eilends den Raum, ehe die Lehrerin sie aufhalten konnte. Sie hatte noch nie im Leben den Unterricht geschwänzt. Sie war immer zuverlässig, immer pünktlich und pflichtbewusst gewesen. Und doch war sie schon immer anders gewesen als andere. Sie schien nirgendwo richtig hinzugehören und hatte das Talent, sich in großen Menschenmengen fast unsichtbar machen zu können. Anders als ihre Mutter Sophie. Wo auch immer sie hinging, fingen die Leute ein Gespräch mit ihr an. Manchmal fand Savannah sie in einer Menschentraube vor, aus der sie sie erst einmal retten musste. Doch ihre Mutter würde sie niemals bitten, früher nach Hause zu kommen, wenn nicht etwas passiert wäre.
Den Heimweg schaffte sie in der Hälfte der Zeit als sonst. Als sie die Hintertür zur Küche öffnete, fiel ihr Blick auf den Küchentisch. Das Glas Milch, das sie heute Morgen dort hingestellt hatte, war bis jetzt noch nicht angerührt worden. In der Mitte des Tisches lag ein Umschlag. Was jetzt kam, das kannte Savannah schon. Langsam öffnete sie den Umschlag und heraus kamen zwei Flugtickets. Um 18:45 Uhr ging der Flug von Chicago nach Dublin in Irland.
„Mom, wo bist du?“ Ihre Stimme zitterte ein wenig. Oben hörte sie ein Poltern, dann waren auch schon die Schritte ihrer Mutter auf der Treppe zu hören. Als Sophie vor ihrer Tochter stehenblieb, spielte sie nervös mit ihren Fingern und nestelte an ihrem Rock. Ihre Mutter konnte ihr noch nicht einmal in die Augen schauen. Zu müde, um etwas zu sagen, schüttelte Savannah nur den Kopf, legte den Umschlag wieder auf den Tisch und ging nach oben.
Sie fühlte sich, als würde sie eine zentnerschwere Last auf ihren Schultern tragen. Geübt wie sie war, packte sie ihre Sachen innerhalb einer Stunde zusammen. Das einzige Gute an diesem Tag war, dass sie die Klausur nicht schreiben musste. Savannah liebte ihre Mutter. Auch wenn ihr schon ein paar Mal durch den Kopf gegangen war, dass niemand sie zwingen konnte, wieder einmal umziehen zu müssen, so war sie ihrer flatterhaften Mutter
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