Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
verliebt?«
Irgendwo im Garten ist ein Gurgeln zu hören. Alle verstummen und lauschen.
Noch ein Gurgeln und dann ein lang gezogenes Schlürfen.
Es regnet Blut.
Die kühlen Tropfen fallen auf Idas heißes Gesicht, auf Rasmus und seine Freunde, sprenkeln die herausgeputzten Gäste rot.
Der Rasensprenger zuckt über das Gras, verspritzt lange, dünne Strahlen einer roten Flüssigkeit. Der Schlauch springt und hüpft hinterher.
Die Gäste kreischen und suchen Schutz. Lotta hat die Augen zugekniffen und schreit wie am Spieß.
»Anders! Ida!«, ruft Mama aus dem Haus.
Ida rennt. Sie fliegt über den Rasen, vorbei an den kleinen Jungs, die Treppe hoch zur Terrasse.
»Entschuldigung!«, ruft sie und schiebt sich durch das Gedränge der Leute, die versuchen, sich ins Haus zu flüchten.
»Entschuldigung!«
Ihre Mutter steht über die Spüle gebeugt in der Küche und versucht krampfhaft, den spuckenden, fauchenden Wasserhahn zuzuhalten. Zwischen ihren Fingern sprudeln dicke Strahlen heraus und hinterlassen große Flecken. Im Licht der Deckenlampe sieht Ida, dass die Flüssigkeit nicht rot wie Blut, sondern schmutzig braunrot ist.
»Was sollen wir denn jetzt machen?«, schreit eine Frau und Mama fängt an zu schluchzen.
»Verdammt! Die Toilette läuft über!«, ruft Papa aus dem Bad.
Eine große Pfütze rinnt aus der Spülmaschine. Irgendwo in der Wand rumort es in den Rohren.
Ida betrachtet das Chaos.
Mamas panisches Gesicht. Ihr völlig verdrecktes Kleid. Das braunrote Wasser, das an ihren perfekten Wänden, Decken und Küchenschränken herunterrinnt. Papas hilfloses Gebrüll.
Ida dreht sich um, und ihr Blick fällt auf Åsa, die ein Stück abseits an der Wand lehnt. Ein großes, glückliches Lächeln hat sich auf ihrem Gesicht ausgebreitet.
Und in diesem Augenblick versteht Ida haargenau, wie sie sich fühlt.
37. Kapitel
A
nna-Karin«, ruft Mama aus dem Badezimmer. »Ich werde noch wahnsinnig! Jetzt geht das schon wieder los!«
Anna-Karin rennt zu ihr. Ihre Mutter beugt sich über das Waschbecken, in dem braunrotes Wasser hochblubbert und wieder versickert. Es hinterlässt einen rötlichen Film. Rost, haben sie im Lokalradio gesagt.
Es ist genau einen Tag her, dass die Wasserversorgung in Engelsfors zusammengebrochen ist. Angeblich hat ein leichtes Erdbeben unterirdische Wasserläufe gestört.
»Vielleicht ein Nachbeben?«, sagt Anna-Karin.
Mama schaut hoch und ihre Blicke begegnen sich im Spiegel.
»Ja, vielleicht«, sagt sie. »Willst du um diese Zeit etwa noch weg?«
Es sind die ersten Worte, die sie seit ihrem Besuch im Zentrum für ein Positives Engelsfors miteinander wechseln.
»Ich übernachte bei Minoo«, sagt Anna-Karin, zufrieden mit sich, weil sie wenigstens dieses eine Mal nicht als Erste das Schweigen gebrochen hat.
Mama hebt die Augenbrauen.
»Erik Falks Tochter? Aha, ich wusste gar nicht, dass ihr befreundet seid.«
»Das ist noch ziemlich frisch.«
Mama schaut wieder nach unten ins Waschbecken.
»Denk dran, dass du kein Wasser trinkst«, sagt sie. »So was vergisst man ja leicht.«
Anna-Karin ist ganz verwirrt von so viel Fürsorge.
Sie bleibt in der Tür stehen und ist nah daran, sich für das, was sie vor einer Woche gesagt hat, zu entschuldigen.
Aber sie weiß genau, was ihre Mutter antworten würde. Ein bissiges:
Es ist sicher nicht leicht, so eine schlechte Mutter wie mich zu haben, ich kann dich verstehen
. Oder ein bitteres:
Ich weiß schon, dass ich eine schlechte Mutter bin, du musst es mir nicht extra erzählen
.
»Ich vergesse es nicht«, sagt sie.
Peppar maunzt und streicht auf dem Weg zum Katzenklo an ihrem Hosenbein vorbei.
»Tschüss, Mama.«
»Tschüss, Anna-Karin«, sagt sie, ohne aufzuschauen.
Vanessa wiegt das Silberkreuz in ihrer Hand. Es ist verblüffend schwer. Und
warm
. Als hätte es in der Sonne gelegen.
Sie kann die Magie spüren, die von ihm ausgeht. Wie winzige, intensive Vibrationen in der Luft. Elektrizität. Magnetfeld. Irgendwie so – und doch ganz anders.
Sie streckt sich nach oben und hängt das Kreuz zurück an den Nagel, neben das Holzkreuz, das Elias Linnéa aus Mexiko mitgebracht hat. Einem alten Volksglauben nach soll es ebenfalls Schutz bieten. Und sie werden jeden Schutz brauchen, den sie kriegen können.
Vanessa hat Linnéa dabei geholfen, sämtliche Möbel ins Schlafzimmer zu schleppen, damit sie genug Platz haben, um das Ritual hier im Wohnzimmer auszuführen. Nicolaus’ Wohnung ist nicht mehr sicher. Linnéas zwar
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