Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
haben sich viel zu schnell entwickelt. Sie konnte nicht aufhören, sie anzuwenden. Das hat sie … krank gemacht«, sagt Viktor.
»Was ist mit ihr passiert?«
Viktor lächelt bitter.
»Man könnte wohl sagen, sie ist nie mehr sie selbst geworden.«
Er zieht die linke Hand aus der Manteltasche und wirft einen Blick auf die Armbanduhr.
»Tut mir leid, aber wir müssen weiter.«
Minoo öffnet ihren Spind und packt die Bücher in ihren Rucksack. Sie versucht, nicht an Anna-Karin zu denken, die jetzt gerade mit Viktor auf dem Weg zum Herrenhof ist. Sie kann ihr sowieso nicht helfen. Das ist das Schlimmste daran.
Sie hört ein vertrautes Lachen und sieht Vanessa mit Evelina den Flur entlanggehen.
Ob Vanessa ahnt, was Linnéa empfindet?
Ich muss mit Linnéa reden, denkt Minoo, während sie ihren Spind abschließt. Ich muss. Bald. Sie muss wissen, dass ich es weiß.
Von der Schule aus geht sie zum Storvallsplatz. Als sie sich dem gelben Haus nähert, in dem die Redaktion der
Engelsfors Nachrichten
ihren Sitz hat, sieht sie, dass das große Fenster neben dem Eingang gesprungen ist. Der Riss im Glas wird von breiten Klebestreifen gehalten. Es muss letzte Nacht passiert sein.
Minoo hat keine Zweifel, wer dahintersteckt. Dieselbe Person, die nachts bei ihnen anruft. Niemand sagt etwas, aber die Stille am anderen Ende der Leitung ist schlimmer als Worte. Der erste Anruf kam im Herbst, am Tag, an dem die Zeitung den ersten kritischen Artikel über Positives Engelsfors veröffentlichte. Dann kamen die Anrufe immer öfter, im selben Takt, in dem die Bewegung wuchs. PE hat einen Zeitungsboykott organisiert und die Abonnentenzahlen sind drastisch zurückgegangen. Aber Papa gibt nicht auf. Im Gegenteil. Seine Leitartikel ähneln mehr und mehr einem persönlichen Kreuzzug.
Das hier mit dem Fenster ist nur die natürliche Steigerung der Auseinandersetzung. Und Minoo hat Angst davor, was die nächste Stufe sein könnte.
Sie geht in die Redaktion. Papa steht in der Kaffeeküche und gießt sich gerade öligen, schwarzen Kaffee in einen großen Becher.
»Na du«, sagt er abwesend und geht in sein Büro.
Minoo folgt ihm. Sieht die kleinen Schweißflecken auf seinem Rücken. Seinen roten Nacken. Er ist wieder wütend. In letzter Zeit ist er immer wütend.
»Was ist mit dem Fenster passiert?«, fragt sie, während ihr Vater sich hinter seinen Schreibtisch setzt.
»Ich habe heute Morgen Anzeige erstattet«, sagt er und trinkt einen großen Schluck Kaffee. »Nicht dass das irgendwas bringen würde. Aber es ist wichtig, falls noch mehr passieren sollte.«
»Ihr braucht Überwachungskameras oder so was«, sagt sie.
Papa antwortet nicht. Er hat sich zum Computer gedreht und liest etwas auf seinem Bildschirm.
»Anna-Karin kommt übrigens«, sagt sie nach einer Weile und er schaut verwirrt auf.
Es ist nicht zu übersehen, dass er es vergessen hat.
»Zum Abendessen«, sagt sie.
Mit jemandem zu leben, der nie ganz da ist, nicht mal, wenn er sich im selben Raum befindet, ist nicht einfach. Langsam fängt sie an zu verstehen, warum ihre Mutter die Schranktüren immer so zugeknallt hat. Irgendwie muss man sich schließlich bemerkbar machen
»Ah, ja, wie nett«, sagt Papa und widmet sich wieder dem Computer.
Minoo würde ihn am liebsten anschreien, ihm klarmachen, dass sie auch viel zu tun hat. Sie hat immer größere Probleme, ihren Spitzendurchschnitt zu halten. Versucht nebenbei dahinterzukommen, ob Positives Engelsfors von Dämonen gesponsert wird, und sich gleichzeitig auf einen magischen Prozess
und
den Weltuntergang vorzubereiten. Und trotzdem kommt sie hierher, um an Papas Leben teilzunehmen, obwohl es eigentlich andersherum sein sollte.
Über den Flur nähern sich Schritte und Minoo dreht sich um.
Helena Malmgren erscheint in der Tür. Hinter ihr baut sich Krister Malmgren auf. Er trägt einen grauen Anzug, aber man sieht, dass man ihn genauso gut in einen Blaumann stecken könnte. Kein Wunder, dass er sogar bei den alten Mienenarbeitern gut ankommt.
Sie mustern Minoo. Und Minoo muss sich beherrschen, um sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie die beiden hasst. Wie viel Angst sie vor ihnen hat.
»Dürfen wir reinkommen?«, fragt Helena.
Ihr Tonfall ist freundlich, aber sie betritt den Raum, ohne eine Antwort abzuwarten.
Papa lehnt sich auf seinem Stuhl zurück.
»Was für eine Überraschung«, sagt er.
Trotz Matildas Warnung haben die Auserwählten Helena und Krister den Herbst und Winter hindurch überwacht,
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