Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
ihr vage bekannt vorkommt. Ein Dialekt, der nicht so richtig aus der Gegend stammt.
»Ja?«
»Hier ist Isak. Aus Sala.«
Isak aus Sala. Der Typ, der – nachdem sie schon miteinander geschlafen hatten – zugab, dass er erst in die Neunte geht.
»Wieso rufst du hier an?«
»Ich konnte deine Nummer nicht rausfinden«, sagt Isak nervös. »Aber dann ist mir eingefallen, dass du von diesem New-Age-Laden erzählt hast, in dem du arbeitest …«
Vanessa beugt sich nach vorne und stützt die Ellenbogen auf. Überlegt, wann sie ihm von der Kristallgrotte erzählt haben soll. Besonders viel haben sie in dieser Nacht schließlich nicht miteinander geredet.
»… und ich wollte nur fragen, ob du meine Mails bekommen hast«, beendet Isak seinen Satz.
Die Türglocke klingelt und aus den Augenwinkeln sieht Vanessa eine Frau in den Laden kommen.
»Ja, habe ich«, sagt Vanessa. »Ich habe doch auch auf die erste geantwortet. Oder nicht?«
»Schon.«
»Dann weißt du ja, dass ich nicht interessiert bin.«
»Ich dachte, wenn du die anderen gelesen hast, würdest du es dir vielleicht noch mal überlegen. Aber wenn du sie gar nicht bekommen hättest …«
Vanessa schielt in den Laden. Die Frau ist zwischen den Regalen verschwunden.
»Du bist sicher ein supernetter Kerl«, sagt Vanessa so leise wie möglich, ohne zu flüstern. »Ich hatte wirklich Spaß mit dir. Aber
wie ich schon schrieb
, will ich zurzeit keine Beziehung. Weder mit dir noch mit sonst jemandem.«
»Aber wie kannst du das sagen, obwohl du mich gar nicht kennst?«
Vanessa stöhnt und schaut unauffällig zu der Frau, die mit dem Rücken zur Kasse steht und sich die Duftkerzen ansieht.
Plötzlich dreht sie sich um.
Sirpa. Willes Mutter.
»Okay, aber jetzt wissen Sie, dass wir kein Interesse haben«, sagt Vanessa lauter. »Vielen Dank für den Anruf. Wiederhören.«
»Na, so was, Vanessa? Arbeitest du hier?«
Vanessa nickt und murmelt etwas Unbestimmtes über hartnäckige Verkäufer.
»Wie schön, dich zu sehen«, sagt Sirpa.
»Gleichfalls«, sagt Vanessa und überlegt, ob sie Sirpa umarmen soll oder ob das unpassend wäre.
Sie würde sie gerne umarmen. Sie hat sie vermisst. Sirpa, die sie monatelang bei sich wohnen ließ. Sirpa, die sie sich manchmal als Mutter gewünscht hätte.
»Ja …«, sagt Sirpa und sieht sich um. »Ich war ja noch nie hier drinnen, ich …«
Ihr Satz bricht ab. Erst jetzt fällt Vanessa auf, wie bekümmert Sirpa aussieht.
Wille, denkt Vanessa. Hoffentlich ist ihm nichts zugestoßen!
Es überrascht sie selbst, wie groß ihre Angst ist.
»Wie geht es dir?«, fragt sie.
»Gut!«, sagt Sirpa in einem hilflosen Versuch, fröhlich zu klingen.
Tränen steigen ihr in die Augen und sie wischt sie mit einer behandschuhten Hand weg.
»Ist was passiert?«
»Nein, nein«, sagt Sirpa und ringt sich ein kleines Lachen ab. »Wahrscheinlich ist das mein Problem.
Nichts
ist passiert. Ich habe immer noch Schmerzen.«
Dann ist wenigstens mit Wille alles in Ordnung.
Vanessas Erleichterung wird sofort von ihrem schlechten Gewissen abgelöst, als sie Sirpas Blick sieht.
»Ist es der Nacken?«, fragt sie.
»Ja. Im Sommer ist es schlimmer geworden. Als ich mich PE angeschlossen habe, dachte ich wirklich, das würde mir helfen, aber … Na ja, also, ich muss wohl noch lernen, mir selbst zu helfen und mein wahres Ich zu werden.«
»Und dein wahres Ich hat keine Probleme mit dem Nacken, oder wie?«
»Nein«, sagt Sirpa, und es ist unendlich traurig, dass sie nicht einmal bemerkt, dass Vanessas Kommentar ironisch gedacht war. »Helena meint, dass ich eigentlich gar keine Nackenschmerzen habe, sondern dass mir die ganzen negativen Gedanken, die ich mit mir rumschleppe, nur das
Gefühl
geben, Schmerzen zu haben. Wenn ich es schaffen würde, meine Einstellung wirklich zu ändern, dann … Aber offenbar bin ich ein hoffnungsloser Fall. Obwohl man so was ja gar nicht denken soll. Ich kann es nicht lassen, mich selbst schlechtzumachen. Und dann mache ich mich schlecht, weil ich mich schlechtgemacht habe.«
Sirpa presst noch ein kurzes Lachen hervor und verdreht die Augen.
Es zerreißt Vanessa das Herz.
»Deine Nackenschmerzen haben also nichts damit zu tun, dass du seit gut dreißig Jahren bei Ica an der Kasse sitzt? Du bildest dir das alles nur ein?«
»Aber Vanessa«, sagt Sirpa lachend und schaut sich um, als hätte sie Angst, jemand könnte sie hören. »So habe ich das doch nicht gemeint.«
»Wie denn dann?«
»Ich wollte wohl sagen,
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