Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
zittern, und für einen Moment rechnet Ida damit, dass Linnéa anfängt zu weinen.
»Ich kann nicht …«
Sie lehnt sich an die Wand, macht die Augen zu.
Ich dachte, ich werde ohnmächtig, als ich sie gesehen habe.
»Wen?«
»Erik und Robin …«
»Was ist mit ihnen? Was zur Hölle hast du eigentlich rumerzählt?«
Linnéa öffnet die Augen und schaut Ida durchdringend an.
»Sie haben versucht, mich umzubringen.«
Ida schüttelt den Kopf.
»Das kann überhaupt nicht sein! So was muss ich mir nicht anhören!«
Sie geht zur Tür, aber Linnéa packt sie am Handgelenk, hält sie fest.
»Lass mich los, du verdammter Freak!«, schreit Ida und versucht, sich loszureißen.
»Hör mir zu!«
»Lass mich los!«
Sie versucht noch einmal, sich loszureißen, aber alle Kraft rinnt aus ihrem Körper. Ihr wird schwarz vor Augen.
Ida sieht, wie sich Erik eine Sturmhaube übers Gesicht zieht und auf sie zugeht.
Sie rennt, rennt um ihr Leben.
Sie steht oben auf der Brücke, und sie sieht in Eriks Augen, dass er sie töten kann, dass er sie töten
will
.
»Sei ein Mann, verdammt. Du hasst diese elende Schlampe doch genauso sehr wie ich.«
Der Baseballschläger in seiner Hand sieht schwer aus.
»Spring, habe ich gesagt. Ihr Psychos wollt euch doch sowieso alle umbringen.«
Das Wasser fließt schnell unter der Brücke, schwarz und glänzend wie Öl.
»Eigentlich sollte man dich zur Strafe erst noch ficken, aber wir wollen uns kein Aids holen.«
Und sie fällt durch die Luft, fällt und fällt, und sie weiß, dass sie sterben wird.
Ida schnappt nach Luft, als sie auf dem Wasser aufschlägt.
Ida öffnet die Augen. Sie liegt auf dem kalten Boden im Waschraum. Linnéas Gesicht schwebt über ihr.
»Du hast es gesehen«, sagt Linnéa und Tränen laufen ihr über das Gesicht. »Du hast es gesehen, oder?«
Ida spürt immer noch die eisige Kälte des Wassers. Sie zittert am ganzen Körper, kann nicht aufhören zu zittern.
»Nein«, hört sie sich selbst sagen. »Er würde nie, er würde niemals …«
Aber er würde. Sie weiß es jetzt ganz sicher.
Ida kommt auf die Füße und stürmt aus der Tür, rennt die Treppe nach oben. Sie muss weg von Linnéa, weg von Erik, raus aus der Schule.
Aber Erik steht in der Eingangshalle und wartet auf sie. Es hat längst geklingelt. Er ist allein, kein anderer sieht sie. Er kommt auf sie zu, und als Ida seinem Blick begegnet, ist sie zurück auf der Brücke, und er will sie töten.
»Was ist los mit dir?«, fragt Erik.
Er streckt die Hand nach ihr aus.
»Fass mich nicht an!«
Ida hört ihren eigenen Schrei durch den Raum hallen, als Erik nach ihrem Oberarm greift.
»Beruhig dich!«, sagt er.
Sie sieht ihm in die Augen und denkt, dass sie nicht mehr weiß, wer er ist.
Aber das stimmt nicht. Sie wusste immer, wer Erik ist. Sie hat ihn nur noch nie auf diese Weise gesehen, von der anderen Seite. Wie seine Opfer.
Seine vielen Opfer in all den Jahren. Seine und
ihre
. »Ein bisschen was müssen Kinder schon aushalten«, sagte Idas Papa immer, wenn hin und wieder irgendwelche Eltern anriefen und sich beschwerten. »Ich nehme an, dass keiner ganz unschuldig ist.« Und Ida wusste, dass sie immer davonkommen würde, solange sie zu den Gewinnern gehörte. Zu denen, die das Sagen haben.
»Lass mich los!«, sagt sie.
Eriks Griff um ihren Arm wird fester, so fest, dass ihr die Tränen kommen. Sie spürt, wie die Magie in ihr erwacht. Es knistert um sie herum, als wäre sie statisch aufgeladen, jedes Nackenhaar stellt sich auf.
»Du benimmst dich wie der letzte Psycho!«, sagt er.
Der elektrische Schlag ist so heftig, dass Erik nach hinten fliegt. Er knallt gegen die Wand und sackt auf den Boden. Schaut sich verwirrt um.
Jemand nimmt Idas Hand. Linnéa.
Komm, wir müssen weg hier
.
Linnéa zieht sie mit sich durch die Tür. Zusammen rennen sie über den Schulhof, an den toten Bäumen vorbei und weiter durch das Tor.
Es gibt kein Zurück mehr.
Ida wird nie mehr eine von denen sein, die das Sagen haben.
Sie ist jetzt auf der anderen Seite.
55. Kapitel
M
inoo traut ihren Augen kaum, als sie sich dem Pavillon nähert. Sie hat hier im Vergnügungspark viele bizarre Dinge gesehen, aber nie etwas Bizarreres als das.
Linnéa und Ida sitzen dicht nebeneinander am Bühnenrand. Und Ida hat den Kopf an Linnéas Schulter gelegt. Linnéa sieht nicht unbedingt entspannt aus, aber sie scheint es zu tolerieren.
Minoo weiß schon, dass die beiden heute Morgen gemeinsam aus der Schule
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