Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
selbst sich befindet – Dufflecoat, Trainingshosen und Turnschuhe.
Sie blickt zu Linnéa, die sich verwirrt umsieht.
»Und wer bist du?«, sagt Vanessa.
»Ich bin Minoo«, antwortet sie. »Aber jetzt bin ich Linnéa, oder wie? Wer von euch ist ich? Wer ist in mir, meine ich?«
»Ich«, sagt Minoo mit zitternder Stimme. »Ida.«
»Was geht hier vor sich?«, wiederholt Vanessa verzweifelt und alle drehen sich zu ihr um.
»Du bist ich«, sagt Ida sanft. »Also, ich bin Anna-Karin und du bist Vanessa, nicht wahr?«
Vanessa nickt und eine lange, dunkle Haarsträhne rutscht ihr vor die Augen. Sie streicht sie zurück.
»Jedenfalls war ich bis eben noch Vanessa«, sagt sie mit Anna-Karins Stimme.
Minoo legt ihren Stift ab und schaut die anderen an. Sie sitzen in einem Halbkreis um das aufgeschlagene Notizbuch und starren auf die Seite.
Die Sonne ist mittlerweile untergegangen, aber das Ektoplasma leuchtet um sie herum.
MINOO = LINNÉAS KÖRPER
LINNÉA = VANESSAS KÖRPER
VANESSA = ANNA - KARINS KÖRPER
ANNA - KARIN = IDAS KÖRPER
IDA = MINOOS KÖRPER
»So stimmt es, oder?«, sagt Minoo.
Ihre Handschrift sieht fremd aus. Linnéas Hand hat ihren eigenen gewohnten Griff um den Stift, will Minoo nicht so ganz gehorchen.
»Ja«, sagt Vanessa und fängt an, an ihrer Nagelhaut zu knibbeln.
Sie ist ja Linnéa. Eigentlich.
Und ich bin in Linnéas Körper, denkt Minoo. Ich bin im Körper einer anderen!
Das ist zu verrückt. Wenn sie noch lange darüber nachdenkt, wird ihr Kopf explodieren. Nein, Linnéas Kopf.
Ich muss hinter ihre Gesichter schauen, daran denken, wer sie wirklich sind, sonst werde ich wahnsinnig, denkt Minoo.
»Als die Beschützer mich in das Ritual eingeführt haben, sagten sie, der Effekt würde drei Tage anhalten«, erklärt sie. »Von jetzt an gezählt beim dritten Sonnenuntergang werden wir uns wieder in unseren eigenen Körpern befinden.«
»Wieso bist du dir da so sicher?«, hört Minoo ihre eigene Stimme fragen, die so fremd klingt, als würde sie eine Tonbandaufnahme hören. »Was, wenn etwas schiefgeht und wir für immer in diesen Körpern festsitzen? Oder stellt euch vor, wir landen im falschen Körper, wenn wir zurücktauschen. Oder verschwinden einfach. Und was, wenn mein Körper stirbt, weil Anna-Karin vor den Bus läuft?«
Idas Panik ist nicht zu übersehen. Sie tastet nach ihrem Silberherz, das nicht da ist.
Auch Minoo hat schreckliche Angst. Aber sie darf nicht zulassen, dass das Entsetzen die Oberhand gewinnt.
»Ich bin mir sicher, dass keine Gefahr besteht«, sagt sie. »Die Beschützer wollen unser Bestes. Matilda hat doch gesagt, dass sie uns beim Prozess helfen würden.«
Sie schaut Ida in die Augen. Schaut in
ihre eigenen Augen
und ihr wird schwindelig.
»Aber wie soll uns das hier helfen?«, fragt Ida.
»Ich weiß es nicht«, sagt Minoo. »Ich habe keine Ahnung. Aber es steckt ein Plan dahinter. Wir müssen darauf vertrauen.«
Sie verändert die Stellung und bemerkt schmerzhaft einen Bluterguss, der Linnéas ganzen Oberschenkel zu bedecken scheint.
»Minoo, du hörst mich nicht, oder?«
Minoo schaut zu Vanessa und wieder dreht sich alles. Es sind Vanessas Augen, aber sie erkennt ganz deutlich Linnéas Blick.
»Ich habe eben versucht, dir einen Gedanken zu schicken«, fährt sie fort. »Aber es klappt nicht, oder?«
»Nein«, sagt Minoo. »Ich habe nichts gehört.«
»Mit anderen Worten: In Vanessas Körper funktioniert meine Magie nicht mehr.«
»Geht es allen so?«, fragt Anna-Karin.
Minoo schließt die Augen, versucht, den schwarzen Rauch freizulassen. Aber nichts passiert. Sie kann diese Sperre in sich nicht finden. Sie fühlt sich total … normal. Unmagisch.
Sie macht die Augen wieder auf und sieht die anderen fragend an.
»Es muss eine Art Kurzschluss gegeben haben«, sagt Vanessa.
»Ich hoffe, die Beschützer wissen, was sie tun, denn ich habe keine Ahnung, wie wir das hier hinkriegen sollen«, sagt Linnéa. »Nicht nur den Prozess. Ich meine, wir müssen jetzt ja auch das
Leben
der anderen führen. Übrigens, willkommen in meiner fantastischen Welt, Minoo.«
»Wir müssen uns gegenseitig wirklich alle Informationen geben – wir könnten sie brauchen«, sagt Minoo. »Erzählt die wichtigsten Dinge und schreibt Listen.«
Sie reißt Seiten aus ihrem Notizbuch und verteilt sie an die anderen. Erst als sie sieht, wie ihre eigene Hand eins der Blätter entgegennimmt, wird ihr klar, was das wirklich heißt. Sie muss Ida alles erzählen. Alle ihre
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