Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
uns nicht erzählt, was passiert ist?«, fragt Idas Mutter.
Anna-Karin blickt in die besorgten Gesichter der Eltern.
Wenn sie wenigstens fies wären. Dann wäre es so unendlich viel leichter, Ida zu verstehen. So unendlich viel leichter, ihr zu
verzeihen
.
»Wir haben von dieser Sache mit Erik gehört«, sagt Anders. »Es ist wirklich schrecklich.«
»Ja, wie kann man nur so eine Geschichte verbreiten?«, sagt Carina. »Dieses Mädchen muss psychisch krank sein.«
»Das ist keine Entschuldigung«, sagt Idas Vater und wirft seiner Frau einen Blick zu. »Solchen Typen ist nicht zu helfen, indem man sie verhätschelt.«
»Nein, das stimmt«, sagt Carina. »Du musst am Boden zerstört sein, Ida.«
Sie schauen Anna-Karin an. Warten auf Antwort.
»Mm«, ist das Einzige, was sie herausbekommt.
»Ich meine, Erik ist so ein netter Kerl«, sagt Carina. »Bei Robin ist es etwas anderes, seine Mutter hat ja so ihre Probleme. Also, da kann man sich schon vorstellen, dass etwas schiefgeht. Aber Erik! Wie kann man überhaupt nur auf die Idee kommen!«
»Erik ist ein Anführer, genau wie Ida«, sagt Anders. »So jemand hat nun mal Neider.«
Anna-Karin dämmert, dass es vielleicht doch eine Erklärung für das Phänomen Ida gibt. Und sie schafft es nicht, sich zurückzuhalten.
»Erik ist nicht nett«, sagt sie. »Und ich bin es auch nicht immer.«
»Was redest du da?«, sagt Carine.
»Niemand kann immer nur nett sein«, sagt Anders gleichzeitig. »Kühe sind nett und die werden geschlachtet.«
Anna-Karin überkommt eine wahnsinnige Lust, ihm direkt ins Gesicht zu muhen, aber es klingelt an der Tür.
»Ich mach auf«, schreit Lotta und kommt die Treppe heruntergestürmt.
»Wer kann das sein?«, sagt Idas Mutter und reckt den Hals, um den Besucher durch das Küchenfenster zu sehen.
»Es ist Erik!«, brüllt Lotta.
»Wenn man vom Teufel spricht«, sagt Anders.
Anna-Karin steht vom Tisch auf, nimmt viel zu viel Schwung für Idas muskulöse Beine und fällt fast rückwärts um.
»Ich will ihn nicht sehen«, sagt sie.
Sie hört, wie Erik in der Diele mit Lotta redet, und er klingt so furchtbar reizend, ein echter Schwiegermuttertraum. Das macht das Ganze nur noch beängstigender.
Spring. Sonst werfen wir dich rein.
Anna-Karin stürmt zu der Tür, die nicht in die Diele führt.
»Aber Ida, was soll das?«, ruft Carina ihr nach.
Anna-Karin steht unvermittelt im Wohnzimmer und schaut sich verzweifelt um. Drüben in der Küche fragt Erik nach Ida. Sie kann nicht verstehen, was Idas Eltern antworten. Sie schiebt die Terrassentür auf und hastet auf die große Veranda, zieht die Tür leise hinter sich zu. Sie rennt in Strümpfen über das feuchte Holz und weiter in den Garten.
Der Boden ist nass und kalt und ihre Strümpfe sind sofort durchnässt. Aber sie spürt es kaum. Sie peilt das Spielhaus an, rennt, so schnell sie kann. Sie wirft einen Blick über die Schulter zur Villa, die sich hinter ihr auftürmt. Durch die erleuchteten Fenster sieht sie, wie Erik ins Wohnzimmer geht.
Anna-Karin huscht um die Ecke des Spielhauses und presst sich an die Wand.
Niemals würde Ida sich auf diese Weise verstecken. Aber Anna-Karin kann ihm nicht begegnen. Erik hat ihr schon immer Angst gemacht und jetzt ist er auch noch ein Mörder.
Wenn er hierherkommt, klettere ich über den Zaun und renne weiter, schwört sie sich selbst.
Sie hört, wie oben am Haus die Terrassentür geöffnet wird, und sie spannt den ganzen Körper an, stellt sich darauf ein zu fliehen.
»Ida!«, ruft Erik und seine Stimme hallt durch den Garten. »Komm her!«
Sie ist überzeugt davon, dass sie jeden Moment Schritte auf der Holzveranda hören wird. Aber es bleibt still. Sie wünschte, sie könnte sich in das Bewusstsein des Fuchses flüchten, doch diese Verbindung ist abgeschnitten.
Schließlich geht die Haustür auf, und sie hört, wie sich Eriks Schritte auf der Straße entfernen.
Erst da traut sie sich zurück nach drinnen.
Die Strümpfe haben sich in kühlschrankkalte, nasse Putzlappen verwandelt, und sie hinterlässt Fußspuren auf dem weiß lasierten Wohnzimmerboden, bis sie sie von den Füßen zerrt.
»Ida, komm jetzt sofort hierher und erkläre uns, was das eben sollte!«, schimpft Anders Holmström in der Küche.
Anna-Karin gibt keine Antwort. Sie stürmt die Treppe hoch, nimmt zwei Stufen auf einmal und knallt Idas Zimmertür hinter sich zu. Zu ihrer großen Erleichterung stellt sie fest, dass auf der Innenseite ein Schlüssel
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