Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
habe, was passiert ist«, sagt sie und tastet sich langsam vorwärts. »Das war blöd von mir. Ich hätte dir Bescheid sagen sollen. Aber ich habe mir solche Gedanken um Linnéa gemacht. Und Nicke hat alles falsch verstanden.«
Jannike mustert sie besorgt, aber sie erhebt keine Einwände.
»Es war ein Einbruch«, sagt Linnéa. »Das ist die Wahrheit.«
Sie verstummt. Sieht Jannike unsicher an.
»Ich vertraue dir«, sagt Vanessas Mama. »Ich glaube nicht, dass du mich bei einer so ernsten Sache anlügen würdest. Aber nächstes Mal sagst du mir Bescheid, bevor du gehst.«
Linnéa kann nur nicken.
»Ich bin froh, dass du dich um deine Freundinnen kümmerst«, sagt Jannike. »Und Linnéa scheint ein anständiges Mädchen zu sein. Vielleicht ein bisschen zu höflich, aber süß.«
Minoo kommt in die Küche zurück. Jannike legt einen Arm um Linnéa, drückt ihr einen Kuss auf die Stirn und steht vom Tisch auf.
Linnéa fällt es schwer, weiterzuatmen.
Für Vanessas Körper ist diese Berührung so natürlich, so beruhigend. Für Linnéa ist es eine Erinnerung an etwas, das sie nie hatte. Und niemals haben wird.
Minoo hat sich ein altes T-Shirt aus Vanessas Kleiderschrank geliehen. Sie hat die ganze Schminke aus Linnéas Gesicht gewaschen, und jetzt tupft sie es mit einem Handtuch trocken, das intensiv nach unbekanntem Waschmittel duftet.
Sie spürt jeden Nervenstrang im Körper vibrieren. Es prickelt sogar in den Fingerspitzen. Sie ist so rastlos, dass sie am liebsten aus der Haut fahren würde, aus dieser Haut, die nicht ihre ist.
Ich drehe durch, denkt sie und betrachtet Linnéas nacktes Gesicht im Spiegel. Ich werde wirklich verrückt.
Alles ist so verwirrend.
Minoo hat nie geglaubt, dass man Körper und Seele vollständig voneinander trennen kann. Aber jetzt ist sie sicher, dass das unmöglich ist. Linnéas Gefühle für Vanessa sind überall in ihrem Körper. Wenn Minoo Vanessa ansieht, die nicht mal die echte Vanessa ist, sondern Linnéa selbst, verspürt Linnéas Körper eine tief verwurzelte Sehnsucht. Das Gefühl ist so stark, dass Minoo beinahe denkt, selbst in Vanessa verliebt zu sein.
In ihrem Kopf dreht sich alles und sie muss den Blick vom Spiegel abwenden.
Denn wen sieht sie da eigentlich und wer denkt diese Gedanken? Müsste sie nicht eigentlich Zugang zu Linnéas Erinnerungen und Gefühlen haben, wo sie doch ihr Gehirn benutzt? Oder entspringt Minoos Bewusstsein in Wirklichkeit ihrem eigenen Gehirn und wird auf rätselhafte Weise in Linnéas Körper gesendet?
Mit wessen Gehirn Minoo auch immer denkt, es fühlt sich an, als würde es jeden Moment anfangen zu brennen.
»Alles okay?«, sagt Linnéa, als Minoo in Vanessas Zimmer kommt.
»Ich fühle mich echt merkwürdig. Meine Finger kribbeln die ganze Zeit und mir ist schwindelig. Hoffentlich ist das keine Nebenwirkung des Rituals.«
Linnéa schaut sie an. Dann fängt sie an zu lachen. Vanessas Lachen.
»Du brauchst Nikotin«, sagt sie. »Oder besser gesagt, ich brauche es.«
Linnéa liegt wach im Dunklen, während Minoo leise neben ihr schnarcht.
Minoo ist sofort eingeschlafen, nachdem sie zum Rauchen unten vor der Tür waren. Linnéa wollte erst mitrauchen, aber dann entschied sie sich, Vanessas Lunge das zu ersparen. Ihr Bedürfnis nach einer Zigarette war ganz eindeutig nur psychisch.
Sie musste Minoo erklären, wie sie rauchen sollte.
»Das ist so bescheuert«, keuchte Minoo angeekelt. »Ich finde es absolut widerlich, aber mein Körper will immer mehr und mehr. Also dein Körper.«
»Sei froh, dass ich nicht mehr kiffe«, sagte Linnéa und lachte.
Minoo lächelte und zog ungewohnt tief an der Zigarette.
»Für dich muss das hier doch besonders seltsam sein«, sagte sie. »Ich meine, du bist in
Vanessa
gelandet. Im Körper der Person, in die du verliebt bist.«
»Ich versuche, nicht darüber nachzudenken«, sagte Linnéa. »Sonst wird es zu krass.«
Es
ist
zu krass.
Jetzt liegt sie in Vanessas Bett, unter Vanessas Decke. Die Matratze ist ziemlich schmal und sie spürt die Wärme ihres eigenen Körpers neben sich.
Vanessas Körper reagiert auf die Nähe.
Linnéa weiß nicht, was das zu bedeuten hat. Ist es nur die Nähe als solche, die etwas auslöst? Oder gibt es doch einen Teil in Vanessa, der etwas für sie empfindet?
Egal, was es ist, für Linnéa fühlt es sich jedenfalls an, als wäre sie scharf auf sich selbst, und das ist eindeutig
mehr
als krass, deshalb kann sie nicht schlafen, egal, wie müde sie ist.
Sie
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