Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)

wie vorhin durch den Körper wehen.
    »Ist mit deinem Vater alles okay?«, fragt Anna-Karin, als sie vor ihnen stehen.
    »Ja«, antwortet Minoo. »Aber PE hat die Redaktion abgefackelt.«
    Sie schaut zu Viktor. Er sieht nicht so aus, als hätte er letzte Nacht gut geschlafen, und das Hemd unter seinem aufgeknöpften Mantel ist zerknittert. Minoo ist ziemlich sicher, dass es dasselbe ist, das er gestern schon anhatte.
    »Was machst du hier?«, sagt sie.
    »Der Rat hat beschlossen, die Angelegenheit in Engelsfors zu Ende zu bringen«, sagt er. »Sie werden Adriana schon heute Abend hinrichten. Ich weiß nicht genau, wann.«
    Sein gequälter Blick sieht fast echt aus, aber Minoo kann ihm nicht glauben. Sie ist davon überzeugt, dass er nie etwas ohne Hintergedanken sagt oder tut. Das zerknitterte Hemd und sein zerstörtes Äußeres könnten genauso gut Kostüm und Maske einer neuen Vorstellung sein.
    »Und warum erzählst du uns das?«, sagt sie. »Damit wir versuchen, sie zu retten, und euch direkt in die Falle gehen? Damit ihr uns für ein neues Verbrechen verhaften könnt?«
    »Ich kann verstehen, dass du so denkst«, sagt Viktor müde. »Aber es ist die Wahrheit. Und ich will, dass ihr sie rettet.«
    »Wieso sollten wir dir glauben?«, sagt Vanessa. »Gestern hast du noch dafür gesorgt, dass sie zum Tode verurteilt wurde.«
    Viktor schaut weg, als würde er es nicht ertragen, ihr in die Augen zu sehen.
    »Ich weiß, dass ihr Alexander für ein Monster haltet. Aber das ist er nicht. Er will genauso wenig wie ihr, dass Adriana stirbt. Sie ist seine Schwester.«
    »Ja, ihm scheint wirklich wahnsinnig viel an ihr zu liegen«, sagt Linnéa. »Das konnte man gestern deutlich sehen, als er sie im Verhör gefoltert hat.«
    »Er hätte nie damit gerechnet, dass sie zu einer so hohen Strafe verurteilt wird«, sagt Viktor.
    Minoo denkt an Alexanders Gesicht, als das Urteil verlesen wurde. Er sah ehrlich schockiert aus. Aber sie erinnert sich genauso daran, wie eiskalt er Adrianas Raben den Hals umgedreht hat.
    »Dann weiß Alexander, dass du hier bist?«, sagt Minoo.
    »Nein«, sagt Viktor.
    Minoo hört plötzlich Linnéa in ihrem Kopf.
    Es ist verrückt, aber ich glaube, er sagt tatsächlich die Wahrheit. In allem. Er lässt es zu, dass ich seine Gedanken lese.
    »Es kann jeden Moment so weit sein«, fährt Viktor fort. »Bitte. Wir müssen uns beeilen.«
    Was er sagt, sickert nach und nach in ihr Bewusstsein. Adriana soll hingerichtet werden. Heute Abend. Und gleichzeitig planen Helena, Krister und Rickard eine Art magisches Massaker in der Turnhalle der Schule.
    »Sie steht unter Hausarrest«, fährt Viktor fort. »Ich kann euch zu ihr bringen. Aber danach kann ich nichts mehr tun.«
    »Sollen wir sie auf eigene Faust rausschmuggeln, oder was?«, sagt Vanessa. »Und wo sollen wir sie deiner Meinung nach vor dem Rat verstecken?«
    »Adriana kann nicht fliehen«, sagt Viktor. »Man würde sie sofort finden. Sie ist enger an den Rat gebunden als ein gewöhnliches Mitglied.«
    »Können wir den Bund brechen?«, fragt Anna-Karin.
    Viktor schüttelt den Kopf.
    »Es gibt nur einen Weg, sie zu retten«, sagt er. »Sie muss unschuldig werden.«
    »Wie meinst du das?«, fragt Minoo.
    »Adriana hat den Rat enttäuscht, als sie jung war. Aber danach hat sie sich immer vorbildlich verhalten und man betrachtete sie als vollständig rehabilitiert. Erst als sie hierherkam, ging alles bergab. Man müsste die Zeit zurückdrehen. Dafür sorgen, dass sie wieder die wird, die sie vor Engelsfors war.«
    »Und wie, zur Hölle, soll das gehen?«, blafft Ida.
    »Wir haben Max im Krankenhaus untersucht«, sagt Viktor.
    Er schaut Minoo eindringlich an. Und sie ahnt, was er sich ausgedacht hat. Sie ahnt es und sie will kein Wort mehr hören.
    »Wir haben festgestellt, dass jemand in sein Bewusstsein eingedrungen ist«, fährt Viktor fort. »Die Magie, die angewandt wurde, ist uns fremd. Die Person, die sie beherrscht, ist in der Lage, Dinge zu tun, von denen wir nie gedacht hätten, dass sie möglich sind.«
    Minoo schüttelt stumm den Kopf.
    »Du meinst also, wenn jemand Adrianas Erinnerungen an alles, was passiert ist, seit sie hierherkam, wegzaubert, dann würde der Rat ihr vergeben? Einfach so?«, sagt Vanessa und schnippt mit den Fingern.
    »Ich bin mir fast sicher«, sagt Viktor. »Wie gesagt, Alexander will nicht, dass sie stirbt. Wenn er die Chance bekommt, sie für unschuldig zu erklären, dann wird er diese Chance ergreifen. Er hat genug