Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
Gehirnwäsche verpasst haben.«
Minoo wirft einen Blick auf die Wanduhr mit Delfinen.
»Wir sollten gehen«, sagt sie. »In ein paar Stunden beginnt das Fest. Müssen wir sonst noch etwas wissen?«
Mona lächelt wieder ihr schiefes Lächeln.
»Müssen und wollen sind zwei Paar Stiefel«, sagt sie.
Sie zieht an ihrer Zigarette und schaut Vanessa an.
»Für dich ist es bald an der Zeit aufzuwachen, Süße.«
»Was?«, sagt Vanessa, aber Mona ignoriert sie, lässt den Blick zu Linnéa weiterwandern.
»Manchmal können Menschen sich tatsächlich verändern.«
Minoo sieht, wie sich Linnéas Kiefermuskeln anspannen. Mona richtet ihren Blick auf Anna-Karin.
»Sag Adieu, solange du kannst.«
»Wie meinen Sie das?«, fragt Anna-Karin erschrocken.
»Noch ist Zeit. Nutze sie.«
Sie schaut zu Ida.
»Das Jahr, das vor dir liegt, wird dunkel und schwarz sein.«
»Wie bitte? Es wird
noch
schlimmer?«, sagt Ida und Mona zuckt mit den Schultern.
»Aber du wirst das bekommen, was dir versprochen wurde«, sagt sie. »Mit anderen Worten: Es lohnt sich, weiterzumarschieren.«
Dann ist sie endlich bei Minoo. Mustert sie abschätzig.
»An dir ist etwas falsch«, sagt sie. »Aber das weißt du ja schon, nicht wahr?«
Minoo spürt, wie sich ihr Magen verkrampft.
»Wie ›falsch‹?«
»Falsch. Unnatürlich. Du stinkst vor Magie, aber sie gleicht keiner Magie, der ich je begegnet bin. Weiß der Teufel, was das ist. Ich mag es nicht.«
Irgendwo in der Nähe der Citygalerie fangen Sirenen an zu heulen. Sie werden lauter und lauter.
»Ich finde, du solltest jetzt nach deinem Vater sehen«, sagt Mona.
Minoo versucht gar nicht erst nachzudenken. Sie stürzt zur Tür, schließt sie auf und stürmt aus der Kristallgrotte.
68. Kapitel
M
inoo rennt, so schnell sie kann, zum Ausgang der Citygalerie.
Sie hört Schritte hinter sich, hört, wie Vanessa ihren Namen ruft, aber sie bleibt nicht stehen. Sie erreicht die Automatiktür, zwingt sich zu warten, während die Tür sich langsam öffnet. Brandgeruch dringt von außen in die Galerie, die Sirenen werden immer lauter und Panik steigt in ihr auf. Sie will gerade losspurten, als jemand ihre Jacke packt und sie so heftig zurückzerrt, dass sie auf dem glatten Boden ausrutscht.
Vanessa schleift sie mit sich in eine dunkle Ecke der Galerie. Minoo bleibt fast die Luft weg, als ihr Rücken gegen die Wand knallt.
»Lass mich los!«, faucht sie.
»Was machst du da?«, sagt Vanessa.
Minoo versucht sich freizukämpfen, aber Vanessa ist stärker. Sie hält Minoos Oberarme fest umklammert, drückt sie gegen die Wand.
»Lass mich!«, sagt Minoo wieder. »Mein Vater …«
»Minoo«, sagt Vanessa. »Denk nach.«
Minoo blinzelt. Die Vernunft holt sie ein. Niemand hat etwas davon, wenn sie einem PE -Mitglied auf Hexenjagd geradewegs in die Arme rennt.
»Ich muss wissen, ob mein Vater okay ist«, sagt Minoo.
»Wir gehen zusammen«, sagt Vanessa und lässt sie los. »Ich glaube, ich kann uns beide unsichtbar machen. Bei Wille hat es funktioniert.«
Vanessa nimmt Minoo an die Hand und schließt die Augen.
Bisher hat Vanessa es noch nie geschafft, sie unsichtbar zu machen, und Minoo weiß nicht, worauf sie warten soll. Aber sie muss gar nicht warten. Sie spürt ein seltsames Gefühl durch ihren Körper wehen. Vanessa öffnet die Augen und begegnet ihrem Blick. Sie können sich sehen wie immer.
»Woher wissen wir, ob es geklappt hat?«, sagt Minoo.
Vanessa nickt zur gegenüberliegenden Seite der Galerie. Ein großes Schaufenster spiegelt die leere Stelle, an der sie beide stehen.
Hand in Hand rennen sie aus der Citygalerie. Rauch steigt in den Himmel und scheint mit den tief hängenden Regenwolken zu verschmelzen. Die Sirenen verstummen schlagartig, aber der Brandgeruch wird immer stärker, je näher sie dem Storvallsplatz kommen.
Es geht ihm gut. Ihm ist nichts passiert, versucht Minoo sich einzureden.
Als sie an den Platz kommen, sehen sie, wie der dunkelgraue Rauch aus den Redaktionsfenstern der
Engelsfors Nachrichten
quillt. Minoos Griff um Vanessas Hand wird fester.
Sie werden langsamer, als sie sich auf die Menschenmenge zubewegen, die sich vor dem Gebäude gebildet hat. Minoo sieht die Feuerwehrautos, das lautlos blinkende Blaulicht, Feuerwehrmänner, die sich gegenseitig etwas zurufen. Sie sieht Polizisten und einen Krankenwagen. Einen Krankenwagen. Fast lässt sie Vanessas Hand los. Aber niemand liegt auf der Trage und die Sanitäter stehen daneben.
Ist das ein gutes oder
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