Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
begegnet«, sagt Minoo. »Er hat von einem Stromunfall gesprochen.«
»Das ist das, was wir allen erzählt haben«, sagt Vanessa. »Niemand wird sich an das erinnern, was hier passiert ist. So wie bei Diana.«
»Verdammt«, sagt Vanessa, die etwas entdeckt hat. »Verdammter Scheißdreck.«
Minoo schaut hoch und sieht, wie Alexander in die Turnhalle kommt. Er wird von den beiden Wachmännern begleitet, die auch beim Prozess dabei waren. Die letzten PE -Mitglieder machen dem Trio Platz, das jetzt die Turnhalle durchquert.
Ich hätte es wissen müssen, denkt Minoo. Er hat es sich anders überlegt.
Aber Alexander beachtet sie gar nicht.
Er marschiert geradewegs auf Olivia zu und geht neben ihr in die Hocke. Minoo folgt ihm. Sieht, wie er Olivias Kopf dreht. Ein paar Tropfen Blut rinnen aus ihren geschlossenen Augen.
Vorsichtig hebt er Olivias ausgemergelten Körper hoch.
»Was machen Sie da?«, schreit Linnéa.
»Wenn wir sie hierlassen, stirbt sie«, sagt Alexander. »Wir sind die Einzigen, die ihr geben können, was sie braucht.«
»Und danach? Was passiert dann mit ihr?«, fragt Minoo.
»Olivia Henriksson ist nicht mehr länger euer Problem«, sagt Alexander.
Olivias Stiefel baumeln kläglich in der Luft, als Alexander sie zum Ausgang trägt.
Ida fängt mit einem Mal an, schrecklich zu frieren, sie zittert am ganzen Körper. Sie ist so erschöpft, dass sie kaum mehr stehen kann. Das Einzige, was sie aufrecht hält, ist Gustaf und die Tatsache, dass er ganz dicht bei ihr ist.
»Wer war das?«, fragt er und schaut zu der Tür, durch die Alexander eben verschwunden ist.
»Polizei«, sagt Ida schwach, ihr fällt nichts Besseres ein.
Aber Gustaf scheint sie kaum zu hören.
»Ich verstehe das alles nicht … Was ist überhaupt passiert? Was hast du mit Olivia gemacht? Wer seid ihr eigentlich?«
Ida öffnet den Mund, um ihm zu antworten, aber sie weiß nicht, wo sie anfangen soll. Es gibt nur eine Sache, die sie Gustaf sagen will. Nur eine Sache, die sie ihm sagen
kann
.
»Ich liebe dich.«
Er starrt sie an und sie friert so sehr.
»Ja,
da
hatte diese Psychopathin ausnahmsweise recht«, sagt sie. »Ich weiß, dass du mich nicht leiden kannst … Aber ich … Ich versuche wirklich … Und ich merke …«
Gustafs Gesicht verschwimmt vor ihren Augen, wird wieder scharf.
»Ida?«, sagt er und sie zittert am ganzen Körper.
»Ja …«
Ihre Knie geben nach und sie fällt. Aber sie tut sich nicht weh, denn Gustaf fängt sie auf. Sie landet in seinen Armen, seinen starken Armen, und er legt sie langsam auf dem Boden ab.
»Ida!«, schreit Minoo irgendwo weit weg.
Auch die anderen Auserwählten rufen sie.
Ida, Ida, Ida, Ida!,
rufen sie, als wäre sie taub oder so.
Ida! Ida, was ist denn?
Und sie will ihnen sagen, dass alles okay ist, sogar ganz fantastisch, wirklich. Denn Gustaf schaut sie an, er berührt sie mit seinen Händen, er redet mit ihr, sagt ihren Namen, wieder und wieder. Sie hört seine Stimme ganz deutlich, wenn auch nur fern.
Sie atmet nicht!
Sie sieht in seine Augen, seine schönen, wundervollen Augen. Endlich schaut er sie auf diese Weise an, nach der sie sich so lange gesehnt hat.
Sie atmet nicht!
Das macht nichts, will sie sagen. Das macht gar nichts.
Sie ist ihm jetzt so nah. Ganz dicht an Gustafs Gesicht. Er legt seine Lippen auf ihre, und sie verschmelzen, bis sie nicht mehr unterscheiden kann, wo sein Mund beginnt und ihrer endet.
Es tut weh, so sehr will sie ihn.
Und sie merkt nicht einmal, dass ihr Herz aufhört zu schlagen.
4. Teil
75. Kapitel
D
ie Tür des Busses öffnet sich und Anna-Karin steigt aus. Die Sonne ist eben erst aufgegangen und die Kühle der Nacht hängt noch in der Luft. Sie zieht die Mütze und die Handschuhe an, die Großvater ihr vor Jahren gestrickt hat.
Sie folgt dem Kiesweg, der von hohen, kahlen Bäumen gesäumt ist. Am Ende des Weges liegt der Stall.
Anna-Karin hat ihn bisher nur von Weitem gesehen. Als sie klein war und davon träumte zu reiten, aber der Stall war Idas, Julias und Felicias Domäne. Und außerdem sei Reiten zu teuer, sagte Mama.
Anna-Karin öffnet die Tür und schlüpft hinein.
Die Luft ist so kalt, dass sie ihren Atem sehen kann. Bei dem Geruch von Tieren und Heu, der sie an den Hof erinnert, füllen sich ihre Augen mit Tränen. Sie geht die Stallgasse entlang, liest die Namensschilder. Und dann findet sie ihn. Einen Schimmel mit sanftem Blick. Troja.
»Hallo, Troja«, flüstert sie und geht zu ihm in die Box.
Troja
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