Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
dann mit ihr Schluss machen, wenn du eine Garantie von mir bekommen hast, oder wie?«, fragt sie.
Wille sieht verwirrt aus, als hätte er nicht mal die Frage verstanden.
»Du willst nicht riskieren, als Single zu enden. Eher würdest du bei Elin bleiben, obwohl du sie nicht liebst. So lange, bis du eine andere gefunden hast.«
»Das ist verdammt noch mal nicht fair von dir«, sagt er.
»Aber es stimmt.«
Wille schnaubt.
»Ich dachte, du liebst mich«, sagt er und schaut weg.
Das dachte ich auch, würde Vanessa am liebsten sagen.
Aber sie lehnt sich auf der Schaukel zurück und schaut in den Himmel. Sie muss an eine Unterrichtsstunde in der Mittelstufe denken. Damals haben sie gelernt, dass die Erde sich weit über tausend Kilometer pro Stunde dreht, und Vanessa ist auf ihrem Stuhl beinah schwindelig geworden.
Alles kann sich so schnell verändern. In einem einzigen Augenblick ist nichts mehr, wie es war. Und vielleicht liegt das daran, dass man sich immerzu bewegt, selbst dann, wenn man es gar nicht merkt.
»Ich kapiere nicht, was du von mir willst«, sagt Wille. »Versuchst du, mich zu testen, oder was?«
»Nein«, sagt sie. »Das ist nicht nötig.«
Sie schaut ihn wieder an. Sie kennt jedes noch so kleine Detail seines Gesichts, seines Körpers, seines Wesens. Und trotzdem hat sie das Gefühl, ihn mit ganz neuen Augen zu sehen.
Sie hätten bestimmt wieder eine schöne Zeit miteinander. Zumindest bis er dem nächsten Mädchen begegnet. Dass ihr diese Tatsache wirklich klar geworden ist, dass sie sich endlich traut, sich diese Wahrheit einzugestehen, verändert alles.
Sie liebt ihn nicht mehr. Schon lange nicht mehr.
»Es tut mir leid«, sagt sie. »Aber es würde niemals gut gehen.«
Er steht von der Schaukel auf und schaut sie wütend an.
»Dann ist es also aus, meinst du? Einfach so?«
Vanessa könnte ihn anschreien, ihm sagen, dass es aus war, als er hinter ihrem Rücken anfing, mit Elin ins Bett zu gehen, aber sie hat keine Energie mehr. Es ist vorbei. So was von vorbei. Wille hat mit ihrem Leben nichts mehr zu tun.
»Geh nach Hause zu deiner Elin«, sagt sie.
»Du kannst mich mal«, sagt er.
Sie schaut ihm nach, als er sich in sein Auto setzt und mit quietschenden Reifen losfährt. Spürt tief in sich hinein. Sucht nach einer Spur von Angst, Reue oder Trauer.
Aber sie findet nur Erleichterung.
Sie schaut zu Melvin, der ganz vertieft in sein Spiel ist, was auch immer für ein Abenteuer er dort drüben im Sandkasten gerade erlebt.
Nie wieder will sie mit jemandem zusammen sein, bei dem sie die ganze Zeit darauf hoffen muss, dass er sich ändert. Sie will jemanden haben, den sie respektiert, der sie inspiriert, der sie versteht, ohne ihr einfach immer nur recht zu geben. Es soll jemand sein, der sie herausfordert und sie dazu bringt, sich selbst herausfordern zu wollen. Sie will jemanden, mit dem sie lachen kann und weinen. Mit dem sie die Welt entdecken kann.
Und sollte dieser jemand dazu noch verdammt gut aussehen, dann wäre das natürlich kein Hindernis.
Es ist Zeit, nach Hause zu gehen. Zeit, sich für die Beerdigung fertig zu machen.
Vanessa rutscht von der Schaukel. Bleibt stehen.
Es gibt jemanden, auf den diese Beschreibung genau passt, der alles hat, was sie sich wünscht.
Vanessa erinnert sich an ihren ersten Besuch in der Kristallgrotte.
Die Liebe deines Lebens ist nicht der, den du dafür hältst, aber es ist jemand, dem du schon begegnet bist
.
Verdammte Mona.
76. Kapitel
D
as gelbe Schild ist schon von der Fassade entfernt worden. Linnéa schaut auf die leeren Fenster, die dunklen Räume dahinter.
Die Türen stehen offen. Ab und zu kommt jemand nach draußen und wirft Bücher, Topfpflanzen und Möbel in einen Container. Alles muss weg.
Das Stadtzentrum von Engelsfors hat wieder ein paar gespenstisch leere Geschäftsräume mehr. Als hätte die Bewegung nie existiert.
Es ist die perfekte Metapher dafür, was aus PE geworden ist. In den Köpfen der Engelsforser klaffen gespenstische Lücken. Alle teilen einen intensiven Wunsch, die Spuren zu beseitigen. Nach dem »Stromunfall« war die Schule ein paar Tage geschlossen, und als sie wieder öffnete, waren alle PE -Aufkleber von den Spinden gekratzt.
Niemand erwähnt Helenas und Kristers eisernen Griff um die Stadt. Man könnte fast meinen, alles wäre vergessen.
Aber Linnéa schnappt die Gedanken ab und zu auf. Scham. Angst.
Gestern wurden Helena und Krister beerdigt, und offenbar waren nur überraschend wenige Leute
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