Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
vergangen.
»Mehr, Nessa!«, schreit Melvin und sie lacht.
»Das geht nicht«, sagt sie. »Sonst fliegst du noch bis zum Mond!«
»Ich
will
bis zum Mond«, sagt Melvin.
Sie hat ihn so lieb, dass es wehtut. Die Zeit mit Melvin ist für sie wie Medizin. Er ist so voller Leben. Das hilft ihr, sich daran zu erinnern, dass das Leben weitergeht. Dass es nicht nur Schwarz und Dunkel gibt.
»Wussten Sie, dass Ida sterben würde?«, fragte sie Mona am Tag nach der Tagundnachtgleiche. »Haben Sie Ida auch belogen?«
Und dieses eine Mal hatte Mona keine vorgefertigte Antwort parat, die sie herausrasseln konnte. Sie schüttelte nur den Kopf. Sah aufrichtig erschüttert aus.
»Ich habe exakt das gesehen, was ich gesagt habe«, sagte sie. »Ich kann es nicht erklären. Für gewöhnlich entgeht mir so etwas nicht.«
Aber offenbar doch. Denn in wenigen Stunden wird Vanessa auf Idas Beerdigung gehen.
Sie kann es immer noch nicht fassen, dass Ida tot ist. Obwohl sie dabei war, als es passierte, ist es noch nicht in ihr Bewusstsein vorgedrungen. Wenn sie sich mit den anderen Auserwählten trifft, fragt sie sich manchmal, wo Ida denn bleibt. Aber jetzt sind sie nur noch zu viert.
»Ich mag nicht mehr«, verkündet Melvin, und sie hält die Schaukel an und hilft ihm, vom Sitz zu klettern.
Er geht zum Sandkasten, und sie begleitet ihn, um sicherzustellen, dass sich keine alten Spritzen oder andere nette Überraschungen im Sand verstecken.
Vanessa hebt den Kopf, als sie hört, wie ein Auto kommt und stehen bleibt. Wille parkt genau an der Stelle, an der sie Nicke und Paula beobachtet hat. Er steigt aus und kommt auf sie zu.
»Hallo, Kleiner«, sagt er zu Melvin.
Melvin schaut ihn desinteressiert an und widmet sich wieder seinem Eimer und der Schaufel.
»Er scheint sich nicht an mich zu erinnern«, sagt Wille.
»Nimm’s nicht persönlich.«
Wille lächelt sie an. Er trägt einen schwarzen Strickpulli und sieht so gut aus, dass ihr wie immer die Luft wegbleibt.
»Bekommt man eine Umarmung?«, sagt er.
»Na klar«, sagt sie und wischt sich die sandigen Hände an der Jeans ab.
Sie kriecht in seinen Arm.
Willes Duft ist voll von tausend Erinnerungen. Er riecht so vertraut.
Und dennoch ist irgendetwas anders.
»Wie geht es dir?«, fragt er und küsst sie auf die Haare, bevor er sie loslässt.
»Ganz okay«, sagt sie. »Und dir?«
Er zuckt die Schultern.
»Es ist irgendwie schwierig, das mit Elin«, sagt er.
»Wir setzen uns rüber auf die Schaukeln«, sagt Vanessa zu Melvin.
Er nickt, vollauf damit beschäftigt, Sandkuchen zu backen, die er dann wieder zermanscht. Vanessa und Wille gehen langsam zu den Schaukeln, aber sie ist noch nicht richtig bereit, über Elin zu reden.
»Wie geht es deiner Mutter?«
»Sie ist krankgeschrieben. Die Ärzte prüfen, ob sie sie operieren können.«
»Hoffentlich«, sagt Vanessa.
Sie setzen sich jeder auf eine Reifenschaukel.
»Ich habe Angst vor nachher«, sagt sie. »Ich war noch nie auf einer Beerdigung.«
»Du schaffst das schon«, sagt Wille. »Ich wusste auch nicht, was mich auf Jontes Beerdigung erwarten würde. Aber … es war gut. Man kann irgendwie innehalten und darüber nachdenken, was passiert ist.«
Vanessa nickt. Es war vielleicht egoistisch, aber sie konnte sich nicht überwinden hinzugehen.
»Nicht dass ich verstanden hätte, wieso Jonte gestorben ist«, sagt Wille.
Vanessa schaut weg.
»Ich auch nicht«, sagt sie.
»Was sollen wir tun, Nessa?«, sagt er sanft.
Sie dreht ihr Gesicht wieder in die Sonne. Schließt die Augen.
»Was meinst du?«, fragt sie, obwohl sie es weiß.
»Mit dir und mir.«
Sie lässt die Finger über die kalten Ketten der Schaukel gleiten.
»Wann willst du mit Elin reden?«
Wille seufzt schwer.
»Ich muss den richtigen Zeitpunkt abwarten«, sagt er. »Aber was willst
du
? Wirst du danach für mich da sein?«
Und in Vanessa regt sich etwas. Eine Einsicht, von der sie eigentlich nichts wissen will.
Sie will an Wille glauben. Sie will an
sie beide
glauben. Sie sehnt sich nach etwas Schönem, etwas Gutem, an dem sie sich festhalten kann, wenn diese Welt schon so beschissen beschissen ist.
Aber die Erinnerung an Linnéas Stimme hallt durch ihren Kopf. Drängt sich auf.
Du weißt doch, dass Wille nicht allein sein kann.
Sie schaut ihn an
Er braucht immer eine, die sich um ihn kümmert.
Und sie versteht. Willes Duft hat sich nicht verändert. An Wille hat sich überhaupt nichts verändert.
Sie
ist anders.
»Du willst erst
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