Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)

Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)

Titel: Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mats Strandberg
Vom Netzwerk:
muss sie sich ein neues kaufen. Oder soll sie ihn bitten, es ihr zurückzugeben? Nein, das ist es nicht wert. Sie will ihn nie wiedersehen. Aber sie ist sich nicht sicher, ob man dieses Lipgloss überhaupt noch kaufen kann. Vielleicht ist es das letzte Lipgloss dieser Art auf der ganzen Welt und jetzt liegt es zu Hause bei dem ekelhaften, widerlichen Wille und sie wird es niemals zurückbekommen.
    Das Schluchzen kommt so überraschend, dass sie erst nicht merkt, dass sie weint.
    »Nessa? Möchtest du ein Omelett?«
    Vanessa dreht sich um. Mama hat die Tür einen Spaltbreit aufgeschoben und schaut ins Zimmer.
    »Oje, aber Süße …«, sagt sie, als sie Vanessas Gesicht sieht.
    Die Pfütze in der russischen Wüste läuft über. Ein ganzes Meer von Salzwasser.
    Mama kommt rein und macht die Tür hinter sich zu. Sie bleibt stehen, die eine Hand ein wenig ausgestreckt, als wolle sie Vanessa berühren, traue sich aber nicht so recht.
    »Was ist denn passiert?«
    Und Vanessa scheißt auf ihren Stolz, scheißt darauf, dass sie ihrer Mutter die Gelegenheit gibt, »Ich habe es doch gleich gewusst« zu sagen.
    Sie erzählt. Muss lange Pausen machen, weil ihre Stimme bricht.
    Mama nimmt sie in den Arm. Umschließt sie mit einer langen, warmen Mama-Umarmung. Vanessa hält sie ganz fest und vergräbt das Gesicht in ihrem Morgenmantel.
    »Mein Schatz«, sagt Mama. »Mein armer, armer Schatz.«
    »Ich wollte nichts sagen, weil ich ja weiß, dass du Wille nicht magst«, schluchzt Vanessa.
    Mama streicht ihr durch die Haare.
    »Aber Süße«, sagt sie mit so viel Gefühl, dass es klingt, als wäre sie selbst den Tränen nah. »Du weißt doch, dass du mir alles erzählen kannst?«
    Vanessa denkt an Nicke und die Frau im Polizeiauto. Vielleicht sollte sie es jetzt sagen, vielleicht ist das die Gelegenheit, aber dann würden sie in weniger als einer Sekunde die Rollen tauschen. Dann wäre sie diejenige, die ihre Mutter trösten muss.
    Es ist wahrscheinlich egoistisch, aber sie kann das jetzt nicht. Sie fühlt sich erschöpft und ängstlich, und gerade jetzt wünscht sie sich nichts mehr, als dass Mama nur Mama ist.

    Im hellen Licht der Badezimmerlampe mustert Minoo ihre Hände und stellt fest, dass sie immer noch Erde unter den Nägeln hat. Wie sehr sie auch schrubbt, sie bekommt die Finger nicht sauber.
    Und wie sehr sie es auch versucht, sie bekommt keine Ordnung in die Ereignisse der Nacht.
    Sie dreht den Wasserhahn auf und pumpt noch einmal Seife auf die Nagelbürste.
    Sie hat von Nicolaus und Matilda geträumt.
    Minoo ist erst jetzt wirklich bewusst geworden, dass die frühere Auserwählte ein Mensch war. Dass sie nicht nur ein mystisches Wesen ist, das durch Ida mit ihnen spricht und ihnen in ihren Träumen begegnet.
    Vor allem hat sie verstanden, wie einsam Matilda gewesen sein muss. Ein Mädchen in Minoos Alter, das die Last der ganzen Welt auf den Schultern trug. Minoo und die anderen haben wenigsten noch sich.
    Immer wieder taucht das Wort »Hexenjagd« in Minoos Gedanken auf. Plötzlich sind die Hexenprozesse so realistisch, nicht mehr nur ein abfotografierter Holzschnitt im Geschichtsbuch. Es gab sie. Wirklich. Hier in Engelsfors.
    Minoo kann sich noch gut daran erinnern, wie sie mit Brandgeruch in den Haaren aufwachte. Sie war mit Matilda in diesem Kerkerloch. Sie ist mit ihr, an Händen und Füßen gefesselt, in den sicheren Tod gefahren.
    Bei lebendigem Leibe verbrannt
.
    Ihre Arme schmerzen vom nächtlichen Graben, aber sie schrubbt weiter. Ihre Fingerkuppen werden ganz rot, doch der Dreck sitzt immer noch tief unter den Nägeln.
    Die letzte Nacht hat viele Antworten gegeben, aber auch neue Fragen aufgeworfen.
    Was passierte in jener Nacht, in der Matilda ihre Kräfte verlor? Warum sind sie dieses Mal sieben Auserwählte statt einer?
Wusste
Matilda, dass es so kommen würde? Tat sie es deshalb, was immer es auch war? Weil die Bürde zu groß war für einen einzelnen Menschen? Aber warum sind sie dann zu siebt, wo es doch nur sechs Elemente gibt?
    Minoo schrubbt.
    Matilda starb, bevor sie die Apokalypse aufhalten konnte. Warum haben die Dämonen damals nicht ganz einfach die Welt übernommen? Wurde der letzte Kampf aufgeschoben, als Matilda aus dem Spiel ausstieg und der Zukunft die Verantwortung überließ? Und wenn es so ist, was bedeutet es dann für sie alle, dass nur noch fünf Auserwählte übrig sind? Haben sie überhaupt eine Chance zu gewinnen?
    Und wieso wird sie das Gefühl nicht los, dass Nicolaus nicht alles

Weitere Kostenlose Bücher