Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)

Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)

Titel: Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mats Strandberg
Vom Netzwerk:
zurückzurufen.«
    »Es ist schwer, diese Erinnerungen zu ertragen«, sagt Nicolaus. »Das gebe ich zu. Aber ich wähle lieber das Licht als die Dunkelheit, auch wenn das Licht unbarmherzig ist. Selbst wenn der Gedanke an das Geschehene mich schmerzt, so kann ich mich doch wenigstens wieder an
sie
erinnern. Meine Liebsten. Hedvig. Matilda.«
    Linnéa nickt. Sie muss wegschauen. Sie hätte dasselbe über Elias sagen können.
    »Ich glaube, sie hat dir längst verziehen«, sagt Anna-Karin. »Matilda, meine ich. Schon in der ersten Nacht in der Kärrgruva hat sie uns gesagt, dass wir dir vertrauen können.«
    »Ich weiß nicht, ob ich Verzeihung verdiene«, sagt Nicolaus.
    Während seines Berichts ist er immer mehr in sich zusammengesunken. Jetzt sieht er fast aus, als wäre er einer Ohnmacht nah.
    »Ich fürchte, ich muss mich ausruhen«, sagt er.
    »Danke«, sagt Minoo. »Dass du uns alles erzählt hast.«
    »Ich kann verstehen, wenn ihr enttäuscht von mir seid«, sagt Nicolaus.
    Anna-Karin schüttelt den Kopf.
    »Das ändert nichts«, sagt sie. »Wir wissen, wer du bist. Wir wussten es die ganze Zeit.«

14. Kapitel
    V
anessa öffnet die Augen und sieht einen Vogel.
    Erst glaubt sie zu träumen, aber er sitzt wirklich da auf dem Nachttisch und schaut sie an.
    Es ist eine Blaumeise, eine der wenigen Vogelarten, die sie kennt. Blauer Kopf und weißes Gesicht mit einem schwarzen Pinselstrich quer übers Auge. Die Brust ist gelb wie bei einem Küken.
    Vanessa wedelt verschlafen mit der Hand in Richtung des offenen Fensters, in der Hoffnung, dass der Vogel sie versteht.
    »Flieg da raus«, knurrt sie.
    Die Blaumeise legt den Kopf schief und schaut sie weiter aus ihren kleinen schwarzen Augen an. Vanessa seufzt. Es ist wirklich zu viel verlangt, gleich morgens einen verrückten Vogel durchs Zimmer jagen zu müssen, der einem alle Sachen vollkackt.
    Sie dreht sich auf den Rücken und starrt die Decke an. Sie hat nur ein paar Stunden geschlafen.
    Als sie nach Hause gekommen ist, hätte sie am liebsten noch geduscht, aber sie wollte das Risiko nicht eingehen, die anderen zu wecken. Also hat sie den klebrigen Film aus Erde und Schweiß, so gut es ging, mit einem Handtuch abgerieben. Sie fühlt sich immer noch schmutzig und die Albträume der Nacht verfolgen sie. Das Grab. Nicolaus’ Bericht. Fragmente der Träume, die sie vor einem Jahr hatte, der Träume, die Matildas Erinnerung waren.
    Und es gibt noch ein anderes, alltäglicheres Grauen, das sie bislang noch nicht verdauen konnte.
    Ich hatte was mit einer anderen
.
    Vanessa spürt, wie die Übelkeit in ihr hochsteigt, und setzt sich ruckartig auf. Der Vogel flattert hoch, fliegt an die Decke, stößt gegen die Lampe und stürzt aus dem Fenster nach draußen, wo er in den blauen Himmel verschwindet.
    Ich hatte was mit einer anderen
.
    Sie wartet auf die Tränen, aber sie kommen nicht. Sie fühlt sich wie dieser ausgetrocknete russische See, über den sie im Erdkundeunterricht gesprochen haben, der früher zu den größten Seen der Welt gehörte und jetzt nicht mehr als eine kleine Pfütze in der Wüste ist.
    Eine beschissene Pfütze in der russischen Wüste. Genauso fühlt sie sich.
    Vanessa geht an ihren Schrank und macht ihn auf. Das Erste, was sie sieht, ist ein blassgelbes T-Shirt, in dem sie oft schläft. Es gehört Wille. Sie betrachtet es. Der verwaschene Aufdruck auf der Vorderseite zeigt eine Ketchupflasche und ein Würstchen, die sich High five geben.
    Vanessa schaut es an und wartet darauf, dass in ihr drin irgendetwas passiert. Sie sollte das Bedürfnis verspüren, eine Schere zu nehmen und das Shirt in winzige Fetzen zu zerschneiden. Oder es zu verbrennen. Oder es in Menstruationsblut zu tunken und irgendein abgrundtief böses Hexenritual auszuführen. Vermutlich könnte sie Wille sogar mit einem echten Fluch belegen, sie könnte in die Kristallgrotte gehen und Mona Mondlicht bestechen, damit sie ihr zeigt, wie man so was macht. Voodoo-Nadeln in den bescheuerten hässlichen Teddy stecken, den er ihr geschenkt hat. Sie könnte sich unsichtbar in Willes Zimmer schleichen und seine ganzen Sachen plattmachen. Oder Nicke einen Hinweis auf Willes und Jontes Geschäfte zuspielen …
    Aber ihre Rachefantasien sind unbefriedigend. Stattdessen muss sie an ihre Hausschuhe denken, die in diesem Augenblick vermutlich in dem Chaos unter Willes Bett rumfliegen.
    Sie will diese Hausschuhe. Und ihr fällt ein, dass sie auch ihr Lieblingslipgloss bei ihm gelassen hat. Jetzt

Weitere Kostenlose Bücher