Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
so typisch Engelsfors.«
Gustaf schüttelt den Kopf und lächelt Ida auf eine Weise an, die fast schon an Mitleid erinnert. Es versetzt ihr tief drinnen einen Stich.
»Schönes Wochenende«, sagt er und geht.
»Dir auch!«, ruft sie ihm nach, eine Spur zu laut.
Ida bleibt stehen. Sie ist wie gelähmt.
Gustaf hat ihre Frage nach Minoo nicht beantwortet.
Ein schwedischer Tempelritter galoppiert durch eine Wüstenlandschaft und Ida ist kurz davor einzuschlafen. Sie hat den Film schon gesehen, und er war auch beim ersten Mal schon langweilig, aber Papa durfte heute das Programm aussuchen und er hat ihrem Protest keine Beachtung geschenkt.
Papa wechselt die Sitzposition auf seinem dunkelblauen Sessel, das Leder knarrt und jammert. Mama verabscheut diesen Sessel, weil er ein hässlicher blauer Fleck in ihrem perfekten weißen Heim ist.
Rasmus und Lotta sitzen neben Ida auf dem Sofa. Ab und zu strecken sie mechanisch die Hände aus und grapschen sich Popcorn aus der Schüssel mit der Aufschrift POPCORN .
Mama rennt wie immer im Haus rum. Sie kann nie still sitzen.
»Carina, jetzt komm her!«, ruft Papa. »Du verpasst ja alles!«
»Ich komme!«, antwortet sie aus der Küche.
Rasmus stopft sich eine Handvoll Popcorn in den Mund, leckt sich gründlich die Hand ab und greift wieder in die Schale.
»Ih, bist du eklig«, sagt Ida. »Papa, hast du gesehen, was er gemacht hat?«
»Schau doch einfach den Film an«, sagt Papa.
Rasmus streckt Ida die Zunge raus. Sie ist voll mit kleinen klebrigen Popcornkrümeln.
»Der Film ist langweilig«, mault Lotta. »Da passiert ja gar nichts.«
»Das liegt daran, dass du noch zu klein bist, um was zu kapieren«, zischt Ida ihr zu.
»Bin ich gar nicht!«
»Ach nein? Dann liegt es wohl daran, dass du entwicklungsverzögert bist.«
»Schluss jetzt!«, sagt Papa. »Es ist wirklich unmöglich, sich mit Mädchen einen Film anzuschauen. Die ganze Zeit müssen sie dazwischenquatschen oder was meinst du, Rasmus?«
Rasmus lächelt zufrieden und leckt sich wieder die Hand ab, den Blick fest auf Ida gerichtet. Papa bemerkt natürlich nichts.
Mama kommt ins Zimmer zurück und setzt sich auf einen Stuhl. Sie legt sich ihren Buchhaltungsordner auf die Knie.
»Was ist passiert?«, fragt sie. »Sind die nicht mehr in Schweden?«
»Du liebe Güte«, stöhnt Papa. »Entweder bleibst du hier und schaust dir den Film an oder du hörst auf, Fragen zu stellen.«
»Oh, entschuldige bitte«, faucht Mama.
Sie wechselt einen Blick mit Ida und beide verdrehen die Augen.
»Es ist nichts passiert«, sagt Lotta. »Der Film ist scheißlangweilig. Die reden nur rum oder reiten.«
»Scheiße sagt man nicht«, sagt Mama und blättert in ihrem Ordner.
Ida merkt plötzlich, wie ihr Mund trocken wird. Das Zimmer fängt an, sich zu drehen, ihr wird schwindelig.
Sie steht hastig auf und stürzt ins Badezimmer.
»Aber Ida, was ist denn?«, ruft Mama.
»Hast wohl Flitzekacke, was?«, schreit Rasmus ihr hinterher und Papa lacht.
Mama protestiert, und Ida hört gerade noch, wie Papa sagt, dass das aber schon ziemlich schlagfertig war.
Sie knallt die Tür hinter sich zu und schließt ab. Sinkt auf den Boden.
Die Wände drehen sich. Das ist weit mehr als Schwindel. Das ist wie freier Fall. Ida presst die Handfläche auf den Fliesenboden, um sich in der Wirklichkeit zu halten. Aber die andere, Matilda, weigert sich, von ihr abzulassen.
Ida kämpft dagegen an.
Will nicht, will nicht, will nicht
.
Sie versucht, Kraft aus ihrem Hass auf das, was mit ihr geschieht, zu schöpfen. Warum erwischt es immer sie am schlimmsten? Immer! Sie wurde gezwungen, die Wahrheit zu sagen, erst von Anna-Karin im Vergnügungspark und dann mit dem Wahrheitsserum. Sie musste ganz alleine im Dunkeln warten, als die anderen ins Haus der Rektorin eingebrochen sind. Sie ist beim Luciafest vor den Augen der gesamten Schule zusammengebrochen. Sie durfte nicht dabei sein, als die anderen ihre heimlichen Treffen abhielten. Diese verdammten Mobber. Und warum muss ausgerechnet sie die nervigste, demütigendste Fähigkeit von allen haben?
Lass mich in Ruhe!!!
Vor ihren Augen sprühen Funken wie von einer Wunderkerze.
Ida hat verloren. Der unerwünschte Gast, die vertraute Fremde, bricht in ihren Körper ein.
Es klopft an der Tür.
»Ida«, hört sie Papas Stimme. »Du stirbst doch nicht? Deine Mutter scheint das zu befürchten.«
Ida presst die Lippen aufeinander. Will nicht gezwungen sein, die Worte der anderen zu sagen.
Dann
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