Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
verschwindet der Boden unter ihren Füßen.
Sie fällt ins Chaos, stürzt auf einen Untergrund zu, der sie vielleicht zerschmettert, der vielleicht gar nicht da ist. Alles geht zu schnell. Sie riecht Brandgeruch, spürt die Trauer über einen Verrat, Liebe, die in Hass umschlägt, die Panik der Gejagten, die sich in Resignation gegenüber einem unausweichlichen Schicksal verwandelt. Und dann kommt das Feuer, ein Meer aus Flammen, das sie umschließt und für einen Augenblick spürt sie, wie es sich durch ihre Haut frisst, sie aufplatzen lässt und wie das Fleisch darunter zischt und kocht.
Ida versucht zu schreien, aber als sie den Mund öffnet, füllt er sich mit Feuer.
Das Letzte, was sie sieht, ist das Buch der Muster, umringt von Flammen.
Der scharfe Geruch von Pfefferminze steigt ihr in die Nase.
Ida öffnet die Augen. In der linken Hand hält sie eine Zahncremetube und die Finger der rechten Hand sind verschmiert.
Sie steht vor dem Spiegel im Badezimmer.
Sechs Buchstaben stehen mit neonblauer Zahncreme auf den Spiegel geschrieben.
GEFAHR
»Ida!«, ruft Papa und jetzt klingt er beunruhigt. »Was machst du da drinnen?«
»Fahr zur Hölle!«, schreit Ida.
Sie schreit ihren Vater an, den Zirkel, Matilda, die sie mit sich in die Dunkelheit und ins Feuer gezogen hat, ihr ganzes verdammtes Scheißleben.
20. Kapitel
M
orgenlicht sickert durch die heruntergelassenen Rollos in Nicolaus’ Wohnzimmer. Ein Lichtstreifen lässt Idas blaue Augen aufblitzen, als sie ihre Sitzposition auf dem Holzstuhl ändert. Minoo fragt sich nicht zum ersten und bestimmt auch nicht zum letzten Mal, was hinter diesen Augen vorgeht. Wer ist Ida eigentlich?
»›Gefahr‹? Hätte sie nicht ein
bisschen
konkreter werden können?«, sagt Linnéa.
»Bist du sicher, dass es Matilda war?«, fragt Minoo.
Ida nickt.
»Ich hasse diese verfluchte Kuh«, sagt sie. »Kann sie nicht wenigstens ein Mal jemand anderen belästigen?«
»Entspann dich«, sagt Vanessa. »Ich glaube, sie kann einem mehr leidtun als du.«
Ida schnaubt.
»Was, denkst du, wollte sie uns sagen?«, fragt Minoo.
»Woher soll ich das wissen! Ich weiß genauso wenig wie ihr. Und ja, mir ist klar, dass sie es schwer hatte, als sie noch lebte, aber das gibt ihr noch lange nicht das Recht, mich ständig heimzusuchen! Einmal hat sie es sogar in der Mensa versucht. Aber da habe ich es geschafft, sie zu blockieren.«
»
Was
hast du gemacht?«, sagt Linnéa.
»Entschuldige bitte, aber ich wollte nicht noch mal die Freakshow vor der ganzen Schule abziehen!«
Linnéa stöhnt.
»Okay«, sagt Minoo. »Wir wissen, dass Nicolaus uns vor ›schweren Zeiten‹ gewarnt hat. Und Matilda scheint auch Angst zu haben. Aber wir haben keine Ahnung, aus welcher Richtung die Bedrohung kommt.«
»Noch jemand außer mir, der auf Dämonen tippt?« sagt Linnéa.
»Vielleicht müssen wir sie fragen«, sagt Vanessa.
»Wen?«, fragt Minoo.
»Matilda. Wir könnten eine Séance abhalten.«
Minoo sieht sie an.
Sie wissen inzwischen, dass die Toten Kontakt zu den Lebenden aufnehmen können. Aber geht das auch andersrum? Und wenn ja, was würde das für sie bedeuten?
Trotz der Hitze hat Minoo Gänsehaut auf den Armen.
Rebecka.
Anfang des Sommers war sie überzeugt davon, dass Rebecka und Elias diese Welt für immer verlassen haben, dass sie sich dort befinden, wo sie hingehören, wo auch immer das sein mag. Aber was, wenn es möglich wäre, Kontakt zu ihnen aufzunehmen? Mit Rebecka zu sprechen? Nur ein letztes Mal?
Es fühlt sich an wie ein verbotener Gedanke. Aber sie kann ihm nicht widerstehen.
»Eine Séance!«, sagt Ida schrill. »Und da erwartet ihr natürlich, dass ich mich freiwillig als Gespenstermagnet zur Verfügung stelle?«
»Noch ist nichts entschieden«, sagt Minoo. »Wir wissen ja nicht mal, wie das geht.«
»Und das Buch der Muster bringt uns auch nicht weiter«, sagt Anna-Karin.
»Bliebe noch Mona Mondlicht«, sagt Vanessa. »Sie hilft auf jeden Fall – solange sie Geld dafür bekommt.«
»Gut«, sagt Minoo. »Ida und Linnéa versuchen es sicherheitshalber noch mal mit dem Buch und Vanessa geht in die Kristallgrotte.«
»Warum muss ich …?«, hebt Vanessa an, aber dann verstummt sie und seufzt. »Ja, ja.«
»Eines ist jedenfalls sicher. Wir können dem Rat nicht trauen«, sagt Linnéa. »Also kein Wort zur Rektorin über Matilda oder darüber, was Nicolaus erzählt hat.«
»Aber Adriana ist doch auf unserer Seite«, sagt Vanessa. »Irgendwie.«
»Wenn
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