Feuer (Engelsfors-Trilogie) (German Edition)
genauso viel Angst vor Alexander hat wie Anna-Karin. Trotzdem wagt sie es, ihm zu widersprechen.
»Natürlich nicht«, sagt Alexander ruhig.
»Gut«, sagt Minoo. »Ich wollte das nur klarstellen.«
»Ich kann euch versichern, dass der ganze Prozess gründlich und gerecht verlaufen wird«, sagt Alexander. »Im Anschluss wird Adriana eure Ausbildung fortsetzen.«
Die Rektorin verzieht keine Miene. Sie erinnert an eine Wachsfigur.
»Eine Sache noch«, sagt Alexander. »Bis der Rat sein Urteil gefällt hat, ist es euch strengstens verboten, eure Magie einzusetzen. Viktor wird euch in der Schule beaufsichtigen, und wir haben unsere Methoden, euch auch in eurer Freizeit zu überwachen. Wir werden wieder auf euch zukommen, wenn es Zeit für die Verhöre ist.«
Er geht zur Treppe. Aber jemand stellt sich vor ihn und versperrt ihm den Weg. Linnéa. Natürlich.
Anna-Karins Herz macht einen Satz. Am liebsten würde sie Linnéa anschreien, dass sie sich nicht einmischen soll. Alexander ist gefährlich, sieht sie das denn nicht?
»Linnéa Wallin, nehme ich an«, sagt Alexander. »Wie kann ich dir helfen?«
»Da ist nur noch eine Kleinigkeit. Die Apokalypse.«
»Wir haben ausreichend Zeit, diese Angelegenheit zu Ende zu führen und euch vor dem bevorstehenden Kampf zu trainieren.«
»Warum sollten wir überhaupt auf Sie hören? Sie brauchen uns dringender als wir Sie.«
Die Andeutung eines Lächelns huscht über Alexanders Lippen.
»Wirklich? Wenn du das denkst, dann handle danach. Aber du wirst die Konsequenzen dafür tragen müssen.«
Er durchbohrt sie mit dem Blick, und Linnéa fasst sich an den Kopf, wimmert, als hätte sie einen Schlag abbekommen. Ihre Sonnenbrille fällt auf den Boden.
»Und das würde ich an deiner Stelle nicht noch mal versuchen«, sagt Alexander.
Mit diesen Worten geht er zum Auto, Viktor und Adriana folgen ihm.
21. Kapitel
D
ie Schmerzen in Linnéas Kopf hören erst auf, als sie die Schotterstraße verlassen und die Landstraße überquert hat. Sie hätte sich von Alexander nicht provozieren lassen dürfen. Natürlich war er darauf vorbereitet, dass sie versuchen würde, seine Gedanken zu lesen. Er schleuderte die Kraft, die sie gegen ihn einzusetzen versuchte, zu ihr zurück. Linnéa hat noch immer das Echo der Rückkopplung im Kopf.
Nach dem Treffen sind sie alle in unterschiedliche Richtungen gegangen. Es gibt so viel zu bereden, aber sie wagen nicht, das offen zu tun. Sie müssen sich nicht mehr nur vor den Gesandten der Dämonen in Acht nehmen. Sondern auch vor denen des Rats.
Linnéas Handy piept. Eine Nachricht von Minoo. Sie treffen sich morgen Abend in Nicolaus’ Wohnung, um genau abzusprechen, was sie in den Verhören aussagen werden. Linnéa antwortet, dass sie kommt. Aber am liebsten würde sie das alles einfach vergessen.
»Linnéa!«
Sie dreht sich um, als sie die vertraute Stimme hört.
Vanessa kommt ihr hinterhergerannt.
Linnéa weiß, wie gefährlich es ist zu hoffen, aber sie kann nicht anders. Vanessa will mit ihr reden.
»Gehen wir ein Stück zusammen?«, fragt Vanessa.
»Klar«, sagt Linnéa so gleichgültig, wie es nur geht.
Eine ganze Weile laufen sie schweigend nebeneinanderher. Linnéa traut sich nicht, etwas zu sagen, ihre Angst, den Moment zu zerstören, ist zu groß. Die Angst, wieder etwas falsch zu machen, jetzt, wo Vanessa ihre Nähe auszuhalten scheint.
Sie ist so verdammt hübsch, denkt Linnéa.
Im Schutz der Sonnenbrille bewundert sie Vanessas sonnengebräunte Arme und Beine. Die Haut, die sie nicht berühren darf. Ihren Hals, die Konturen ihres Körpers unter dem engen Shirt, das ein bisschen hochgerutscht ist und den Blick auf ein kleines Stück Rücken freigibt. Die frisch blondierten Haare, die sich leuchtend gegen die dunklen Bäume entlang der Straße abheben.
Vanessa weiß natürlich, dass sie gut aussieht. Das ist für sie ganz selbstverständlich. Aber Linnéa glaubt nicht, dass Vanessa klar ist, was für ein
schöner
Mensch
sie ist.
Am Anfang war es so leicht, sie zu unterschätzen. Dieses blondierte Mädchen mit den erschreckend kurzen Röcken und einer dicken Schicht Lipgloss. Willes neue Freundin. Aber Linnéa, die selbst am besten wissen sollte, wie es sich anfühlt, in eine Schublade gesteckt zu werden, war ziemlich bald gezwungen einzusehen, dass sie auch Vorurteile hatte.
Vanessa ist mutig. Clever. Ehrlich. Sie ist instinktiv gut. Eine echte Heldin. Das Einzige, was sie schwächt, ist Wille. Er ist ihr Kryptonit.
Das
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